Auf keinen Fall möchte ich mein Töchting bloßstellen, nichts liegt ferner. Aber simple Medizin nehmen – außerhalb der, die sie täglich nimmt – gestaltet sich oft als Drama. Sie muss ein Antibiotikum nehmen und wir wissen alle, dass so ein Medikament konsequent eingenommen werden muss. Töchting sieht das anders! Sie sieht nur die große Pille und weigert sich.
„Ich will nicht, brauch ich nicht!“ W. schiebt meine Hand weg. Ich setze meine Tochter aufs Klo, da kann sie wenigstens nicht abhauen. Aber schon das ausziehen der Unterhose geht in die Hose. W. schreit. Ohne ihr zutun ist es für mich ein Kraftakt. Unter Tränen schaffen wir es. Sie bekommt die Pille in die Hand. 5 Minuten, 10 Minuten, sie hat die Pille in der Hand. W. redet. Was sie sagt, verstehe ich nicht. Sie ist aufgebracht und quengelt. Nebenbei fließen Krokodilstränen. Es ist nicht wie immer. Es geht nicht nach ihrem Plan. Sie ist frustriert. Mit Argumenten kann ich sie nicht erreichen. Sie sitzt immer noch auf dem Klo. Ich davor. Inzwischen habe ich die gesamte Morgenroutine erfüllt – die Rollos hochgezogen, gelüftet, mir meine Schuhe angezogen usw. Mein Töchting hat die Pille noch in der Hand. Zum Glück nicht weggeworfen. Ein neues T-Shirt, eine frische Unterhose und immer wieder gutes zureden. Diskutieren! Sie muss die Pille selber nehmen, sonst wird das nichts.
Endlich steckt sich W. das weiße Ding in den Mund. Sie fängt an zu husten, ich zucke zusammen. Alles bleibt drin. Wir diskutieren um den Schluck Flüssigkeit hinterher. W. gewinnt!
W. lacht jetzt, singt ihre skurrilen Morgenlieder und hat ihren gewohnten Alltag wieder.