Zu wissen was man braucht, heißt noch lange nicht, dass man es auch bekommt, auch wenn man es sich noch so sehr wünscht!
Mir geht es schlecht, so richtig scheißeschlecht. Das hat nur bedingt etwas mit dem positiven Coronatest des Töchting zu tun. Der ist nur einmal wieder der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Ein bisschen war es in letzter Zeit nicht so voll. Aber viel hat nie gefehlt – Wasser war meist mehr als genug. Meine Belastungsgrenze habe ich mehr denn je ausgedehnt. Was ein Mensch leisten kann, merkt man selber erst, wenn es hart auf hart kommt.
Hart auf hart ist es in den vergangenen Jahren viel zu oft gekommen. Immer wieder habe ich nach Hilfe geschrien. An den verschiedensten Stellen, auch bei der Krankenkasse. Die Hilfen, um die ich gebeten hatte, gibt es, allerdings nur für Kinder. Die Junioren sind keine Kinder mehr, sie sind erwachsen und für Erwachsene wird keine Familientherapie bezahlt und sei sie noch so sinnvoll.
Ende 2019 verschleppte ich eine beidseitige Lungenentzündung. Ich habe funktioniert und meine Junioren gut versorgt. Ja ich habe sogar ein Weihnachtsfest auf die Beine gestellt, für die Pastorenfreundin aufwendig gekocht. Aber ich wusste, dass ich Ende Januar zur Kur fahre und so habe ich durchgehalten. Dass ich Lungenentzündung hatte, ahnte ich nicht – das war nur ein sehr hartnäckiger Husten! Ende Januar bin ich statt zur Kur in die Lungenklinik – Verdacht auf Tuberkulose. Zwei Wochen hatte ich ca. 40Grad Fieber. Isolierstation! Als endlich feststand, dass ich kein TBC hatte, durfte ich ins normale Krankenzimmer. Immer noch mit hohem Fieber. Kein Antibiotikum schlug an. Die Bronchien waren so ´verbackenˋ, der Infekt löste sich nicht. Es wurde probiert und irgendwann hatten die Ärzte wohl das richtige Mittel gefunden. Mir ging es besser und ich durfte, auf eigenen Wunsch, nach Hause. Infusionen, so traute es mir der Oberarzt zu, konnte ich mir auch daheim selbst anstöpseln.
Das war tatsächlich kein Problem. Nur war es vermutlich doch nicht das richtige Antibiotikum, denn mir wurde speiübel und ich bekam einen anaphylaktischen Schock. Eine Bekannte brauchte mich, da war ich schon nicht mehr ganz bei Sinnen, zurück in die Lungenklinik. Der diensthabende Arzt wollte mich nicht aufnehmen, aber meine Begleitung beharrte darauf. Da setzt zum ersten Mal mein Erinnerungsvermögen aus.
Ich bin wieder in ein Isolierzimmer auf die Intensivstation gekommen. Neuerliches ausprobieren welches Medikament mir helfen könnte! Sehr bald stellte sich heraus, dass diese Intensivstation nicht ausreichend genug ausgestattet war, um mich zu versorgen. Ich wurde verlegt, erst ins heimische Klinikum, dann, weil inzwischen außer Lunge auch die Nieren und die Leber zu versagen drohten, nach Heidelberg in die Uniklinik. Ich hatte einen Dialysekatheter. Als mein Herz auch noch anfing zu streiken, bin ich innerhalb der Uniklinik auf eine andere ITS gekommen – mit Blaulicht und Martinshorn passend um Mitternacht zu meinem Geburtstag am 29. 2. 2020. Vieles weiß ich nicht, mir fehlen so einige Tage, ich hatte Halluzinationen und wäre fast gestorben.
Irgendwann durfte ich nach Hause – es hat sehr lange gedauert. April war es. Da war dann schon Corona und die Junioren im Wohnheim. Ich durfte und konnte sie nicht besuchen. Ende Mai waren wir endlich wieder zusammen. Ganz wacklig habe ich sie wieder alleine ver- und umsorgt. Wie gesagt, der Mensch kann viel, wenn er muss und auch will. In die Werkstatt sind die Junioren erst wieder im Herbst gewesen! Professionelle Helfer waren nicht da.
Im Jahr 2021, ich war noch lange nicht wieder Rekonvaleszent, hatten wir im Sommer Hochwasser im Keller, wir durften zur Mutter-Kinder-Kur. Der systemische Berater dort redete mir ein, dass ich meine Ängste auf die Kinder übertrage. Der Kerle war inzwischen so apathisch und mager, dass ich Angst hatte, dass er verhungert. Täglich kotzte er mehrfach und war nicht mehr er selbst. Meine Nerven lagen blank. Der Kerle war dem Tode näher, als dem Leben. Der Not gehorchend bekam er eine PEG-Sonde. Dann regnete es ins Haus. Die Heizung ging kaputt, wir froren. Auch mit der Magensonde ist es ein täglicher Kampf um die Ernährung. Beide Junioren haben kein Durst- und Hungergefühl. Ich muss für sie denken und sie erinnern. Wir lebten auf einer Baustelle. Aber den Junioren wollte ich meine Not nicht zeigen.
In den Zeiten hatte ich immer auch Menschen an meiner Seite, die geholfen haben. Nur Entscheidungen musste ich alleine fällen. Das hat mich oft überfordert. Richtig verarbeiten konnte ich meine eigene Sepsis nie. Ich habe es immer verdrängt. Das rächt sich irgendwann.
Jetzt hat mein Töchting positive Coronatests und wir sind wieder isoliert. Ich bin nicht zum ersten Mal alleine, kann mich mit niemanden so recht beratschlagen. Das Fass läuft gerade voll …
Ich weiß, was ich brauche! Einen Menschen mit dem ich schweigen, sprechen, streiten, reden und still zusammensitzen kann, einen Menschen, der mich sieht und der mir keine unangefragten Ratschläge gibt, der zupackend ist und mit mir zusammen den nächsten Schritt überlegt. Der mich an die Hand nimmt – oder in den Arm (obwohl, das möchte ich real gar nicht) nur im übertragenem Sinn.
Kuddelmuddelgedankenchaos und ganz bestimmt nicht korrekt – ja, ich weiß. Schwer zu verstehen!
Georg Rode sagt:
Nein, schwer zu verstehen ist das nicht! Mit meiner herzbedingten Schwerbehinderung bin ich empfänglich für die Nöte anderer Menschen. Vergleichen kann ich das nicht, denn trotz der gefährlichen Situation ging es nur um mich, die Kinder waren gesund und gut versorgt.
Reisen kann ich nicht so ohne weiteres, deshalb kann ich nur virtuell mit dir zusammen sitzen. Gute Ratschläge sind das letzte, was du brauchst, aber vielleicht das Gefühl, dass du verstanden wirst.
piri sagt:
Danke und dir alles Gute!
dergl sagt:
Schwer zu verstehen, wie du im letzten Satz schreibst, würde ich das nicht nennen (aber eben ich mit meiner recht speziellen Situation). Das „Problem“ (bewusst in Anführungsstrichen) ist wie oft, dass viele Leute gar nicht sehen, was hinter so einem Leben dahintersteckt und ganz viele auch noch glauben – denn das wird ihnen ja immer wieder gesagt, zum Beispiel von der Politik -, es gäbe wer weiß was für Hilfen und die seien auch noch unbegrenzt verfügbar. Für die ist das dann schwer zu verstehen.
Ich kann euch da jetzt nicht wirklich Unterstützung (in Worten) bieten, auch wenn ich es gern täte. „Unsere“ Corona-WG hatte ja trotzdem, dass man im ersten Moment von außen denken könnte, die Situationen seien ähnlich gewesen (M. mit ihren kaputten Organen und der Aufbaukost zum Beispiel) ganz andere Voraussetzungen als bei euch, also kann man unsere Erfahrungen mit der Versorgung gar nicht mit eurer Situation vergleichen.
piri sagt:
Ja stimmt! Landläufig denken die Nachbarn und andere Menschen, dass wir es besonders gut haben, weil Helfer (1 oder 2, im Grunde genommen viel zu wenig) bei uns ein und ausgehen. Aber die Logistik dahinter sieht kaum einer. In Ausnahmefällen, wie diesen jetzt, liegt alles, wirklich alles an mir. Aber auch in Normalsituation stehen die Helfer nicht Schlange und/oder kommen zu Zeiten, an denen es unpassend ist.
dergl sagt:
Solche Situationen – (eventuelle) Corona-Infektionen/Quarantäne -, gehören zu denen, wegen denen wir versucht haben letztes Jahr Radau zu machen. In meinem Bundesland war/ist das nämlich so, dass Hundegassi im Quarantänefall geregelt ist/war, wer aber als pflege-/assistenzbedürftige Person in Quarantäne/Isolation muss, steht da, dafür ist/war nichts geregelt. Leider ist das untergegangen im Geschrei der (meist) größeren Aktivist:innen, dass sie bitte prioritär geimpft werden wollen (was aufgrund der Lebenssituationen auch eine Berechtigung hatte, aber eben leider nicht alle behinderten Menschen mit eingeschlossen hat). Da steht man dann alleine da im Notfall und hat keine Lobby und nichts.
piri sagt:
Lobby, was ist das? Ich kenne schon die Begriffsbedeutung. Aber eine solche haben wir nicht. Es besteht kein öffentliches Interesse.
momfilou sagt:
Ich weiß, Mitleid magst du nicht. Doch meine Empathie begleitet dich und ich habe wieder mit Grausen gelesen, was bei euch läuft.
Dass du nicht verzweifelst ist bewundernswert – doch dafür kommt auch keine Hilfe zu dir, zu euch.
Der Himmel ist so weit, und keiner drin, der gnädig auf euch schaut, muss man meinen…
Alles erdenklich Gute wünscht dir
Gerel
piri sagt:
Es kommen schon Menschen, so ist es nicht. Aber manchmal eben nicht. Passt schon, ich kriege es immer hin.
christineb sagt:
mein gott, was mußt und mußtest du alles aushalten, dich als als kranke abrackern und für alles alleine zuständig sein. das bestürzt mich und wohl alle total.
immer hast du es mit stärke und mut irgendwie geschafft, die schlimmsten situationen zu überbrücken, alles schafftest du aus liebe zu deinen kindern. ich wünsche euch von herzen, dass dieses virus alleine bei deiner tochter bleibt und auch sie es bald wieder los hat und das ohne probleme.
ich wünsche euch von herzen, dass sich deine lunge erholt und sich carstens husten bessert.
kommt alle wieder zur kraft! dafür bete ich jeden tag.
ganz liebe grüße! christine
piri sagt:
Inzwischen sind die heutigen Apothekentests negativ!