Ringelnatz | Turmgedichte

Nachtgalle

Weil meine beiden Beine
Erfolglos müde sind,
Und weil ich gerade einsam bin,
Wie ein hausierendes Streichholzkind,
Setz ich mich in die Anlagen hin
Und weine.

Nun hab ich lange geweint.
Es wird schon Nacht; und mir scheint,
Der liebe Gott sei beschäftigt.
Und das Leben ist – alles, was es nur gibt:
Wahn, Krautsalat, Kampf oder Seife.
Ich erhebe mich leidlich gekräftigt.
Ich weiß eine Zeitungsfrau, die mich liebt.
Und ich pfeife.

Ein querendes Auto tutet.
Nicht Gold noch Stein waren echt
An dem Ring, den ich gestern gefunden.
Die nächtliche Straße blutet
Aus tausend Wunden.
Und das ist so recht.

Joachim Ringelnatz

Kategorien: Gedicht

2 Kommentare

  1. Auch so ein schönes, nicht sehr bekanntes Ringelnatzgedicht, wenn auch ein sehr trauriges, aber wer kann es ihm verübeln, dem sentimentalen Dichter und Seefahrer.
    Einen lieben Gruss,
    Brigitte

    P.S. Im Ringelnatzmuseum in Cuxhaven war ich vor Jahren mal und war begeistert.

    • Hans Bötticher – so heißt er doch? Er war bestimmt auch eine zerrissene Gestalt und sicherlich nicht leicht zu nehmen.

      In diesem Museum war ich leider noch nicht, wäre ich gerne gewesen.

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