Jetzt doch frei gegeben: Ein Brief!
Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass mir diese Zeit mit dem StäB und der Tagesklinik wenig gebracht hat. Fast möchte ich sagen, dass es verlorene Zeit war. Es war nicht umsonst. Ich habe gespürt, dass Sie mir helfen wollen und es leider nicht so konnten, wie ich es mir erhofft hatte. Was ich mir eigentlich versprochen habe, konnten Sie – aus verschiedensten Gründen – nicht leisten. Allerdings kam ich mir manchmal schon sehr alleingelassen vor.
Da war zum Beispiel die Möglichkeit des Wechsels in die andere, jüngere Gruppe: Ich wurde überfallen, mir wurde das Konzept vorgestellt – es hat mir gefallen und hätte mir vermutlich auch gut getan – aber dann verlief es im Sande. Keine Absage! Einfach nichts! Dabei wurde mir gesagt, dass ich Rückmeldung bekomme.
Ich habe Angst vor Institutionen, Angst vor Telefonaten und habe gerade extrem viel Organisatorisches zu erledigen. Nicht nur mit dem Sozialamt, auch wegen Therapien der Kinder, Rollstuhl, Arztbesuche (Augenarzt, Hausarzt für meinen Sohn) Internetprobleme, Handyvertragsprobleme, Garten etc pp. Dann straft mich meine Tochter ab, weil ich sie länger (eine halbe Stunde) in der Werkstatt lasse und nicht mehr die Zeit für sie habe, wie sie es möchte. Mein Sohn redet auf mich ein, will mit mir über Politik, Sport und Urlaub (den wir gemeinsam nicht machen können) sprechen – eigentlich reden beide Junioren von zwei Seiten auf mich ein! Ich habe ein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber und finde für mich selbst keine Zeit, denn der organisatorische Kram samt Haushalt schwebt immer im Hintergrund.
Helferinnen springen ab, weil ich kurzangebunden bin und unhöflich erscheine. Ergo, noch weniger Unterstützung. Neue Helfer akquirieren fällt mir schwer, weil ich nicht weiß, wo ich noch suchen soll. Ich hatte mir erhofft und auch gesagt, dass ich Formulierungs- und Anzeigentipps von der hiesigen Sozialarbeiterin bekommen möchte. Nachdem ich gesehen habe, welchen Arbeitszeitraum diese in der Tagesklinik hat, ist mir klargeworden, dass auch sie das nicht leisten kann. Nichtsdestotrotz hätte ich es dringend gebraucht.
Ich habe kein soziales Umfeld. Hatte nie die Gelegenheit eins aufzubauen, weil mein zeitlicher Rahmen sehr eng begrenzt ist. Eine Vernetzung, auch mit anderen Eltern behinderter erwachsener Kinder, gibt es nicht. Dazu kommt meine soziale Scheu und die Angst auf Menschen zuzugehen.
In der Tagesklinik habe ich mich tatsächlich zeitweilig gelangweilt. Mir haben Gespräche gefehlt und konstruktive Anstöße. Dass ich Kontakte knüpfen sollte, weiß ich selbst. Aber ich hätte gerne erfahren wohin ich mich wenden kann – in meiner begrenzten Zeit. Wie schon gesagt, mein soziale Phobie und die Angst vor Ablehnung ist groß. Meine burschikose großspurige Fassade und meine Angriffslust – es ist keine Lust – ist nur Schutz. ‚Angriff ist die beste Verteidigung!‘ – macht aber keine Freunde!
Ich gehe aus der Tagesklinik und dem StäB entlassen nach Hause und bin aufgewühlter als vorher. Fühle mich allein gelassen und denke, dass ich Ihren Rahmen gesprengt habe. Hilft mir nur nichts. Dennoch sehe ich, dass Sie mir helfen wollten.
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15:38 Uhr: Bislang keine Reaktion aus der Klinik!
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Trude sagt:
Das tut mir sehr leid.
piri sagt:
Trude, das muss es nicht – passt schon!
Izzy sagt:
Mir ist beim Lesen der Atem gestockt – weil ich spüre, wie viel Schmerz, Klarheit und Stärke in deinen Worten liegen, und wie sehr das Umfeld dir nicht gerecht geworden ist.
piri sagt:
Ich hoffe ja immer noch auf ein Abschlußgespräch!
Izzy sagt:
Das darf doch nicht unmöglich sein!
Sammelmappe sagt:
Das tut mir sehr leid. Es ist ein schlimmes Gefühl sich so allein gelassen zu fühlen. Und es ist schwer, immer durchgehend so eine Last alleine tragen zu müssen.
Das ist alles sehr, sehr hart.
piri sagt:
Dieses permanente Alleingelassenheitsgefühl tut körperlich weh.
Gerel Calow-Demerath sagt:
Hallo Piri, eine Enttäuschung nach der anderen! Da kann ich ein wenig mitfühlen: Heute kam Nachricht wegen der Wittwenrente, da liegt schon eine Überzahlung vor, die sie mir in den kommenden Monaten wieder abziehen. Na, wenigstens ein wenig mehr als früher werde ich bekommen!
Grüße von Gerel
piri sagt:
Liest sich das so, als Enttäuschung? Ich sehe das nicht so.
Margrit sagt:
Das ist traurig zu lesen.
Anne Seltmann sagt:
Puh, mir fehlen gerade die Worte…
Das alles ist ein riesengroßer Berg, den du alleine erklimmen musst. Verdammig das Ganze!
Sprachlose aber herzliche Grüße für dich
Anne
piri sagt:
War ich zu erbarmungslos mit der Klinik?