Behinderung, Kuddelmuddel

Guten Morgen

Carsten ist traurig. Er hat realisiert, dass er nie richtig gut sehen wird. Er hat auch verstanden, dass wir niemals (sag niemals nie!) jemanden finden werden, der oder die die gleiche Behinderung wie die Junioren hat. Auch diese Augenbehinderung ist in der Literatur so nicht bekannt. Der Kerle und ich sind einer Meinung – Wiebke hält sich da raus, auch deswegen, weil sie es kognitiv nicht überblicken kann – besonders sein, ist blöd! So besonders zu sein, dass man kein Gegenüber hat, das wenigstens etwas spiegelt! Besonders zu sein, in dem Sinn, allein dazustehen und sich nur begrenzt austauschen zu können.

Jeder Katzenbesitzer – oh nein, es gibt ja keine Katzenbesitzer, denn da wird es gar andersherum sein, Katzen lassen sich nicht besitzen – jeder, dieser Tierliebhaber bekommt mehr Aufmerksamkeit und hat Gesprächspartner, wenn sich sein Tierchen  (und sei es auch schon 19 Jahre alt) unwohl fühlt. Das haben wir gerade im Bekanntenkreis erlebt. Wie oft wurde sich nach dem Befinden von Minka erkundigt?! Wie oft wurde nachgefragt, ob Carsten wenigstens ein bisschen was gegessen hat?! Das macht wiederum mich traurig.  Tiere, besonders niedliche Katzen haben bei manchen Leuten einen höheren Stellenwert als behinderte Menschen.

Nicht sehen können oder nur schlecht sehen können, grenzt zum Glück lange nicht so aus, wie nicht hören können. Der Spruch: Blind sein, trennt die Menschen von den Dingen – Taub sein, trennt die Menschen von den Menschen! Dieser Spruch ist leider sehr wahr. Vor Jahren hatte einmal eine österreichische taubstumme gehörlose Frau einen Blog. Es gibt ihn leider nicht mehr (jedenfalls weiß ich davon nichts). Von ihr habe ich sehr viel über Menschen gelernt, die nicht hören können. Sogar ein bisschen die Fremdsprache Gebärdensprache.  Oh, was wollte ich eigentlich sagen? Ich komme vom Hölzchen aufs Stöckchen. Dabei wollte ich nur schreiben, dass meinem  Sohn heute Morgen der Befund des Augenarztes erst in der Nacht so richtig klar geworden ist. Es gibt keine Hilfe. Noch nicht einmal eine neue Brille! Es wird so weitergehen, wie bisher. Menschen werden ungeduldig sein, wenn er nicht sofort sieht, was sie ihm zeigen. Sie werden sich abwenden, weil man mit ihm nichts angucken kann. Er, der so ein kommunikativer Geist ist, wird isolierter werden, weil er auch manchmal Menschen nicht erkennt. 

Wieder ein Sprung in meinen Gedanken: Helen Keller. Als ich vor Jahren von ihr hörte – ich habe einmal in meiner Ausbildung als Erzieherin von ihr ein Referat über sie geschrieben. Es existiert nicht mehr. Zum Glück kann der Kerle gut hören…

… ich höre jetzt auf mit diesem Kuddelmuddelbeitrag. Doch, noch eins – ich mag keine Pauschalisierungen. Nicht alle Ärzte sind Großverdiener und nicht alle Ärzte in diesem oder einem anderen Krankenhaus sind super oder das Gegenteil. Es gibt immer sotte und sotte!

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨ Hier gibt es die Möglichkeit etwas in den, wenn auch nur virtuellen Hut zu werfen. Herzlichen Dank!

14 Gedanken zu „Guten Morgen“

  1. Stefanie Hüller sagt:

    Ich geb deinem Sohn recht … Besonders der sein ist blöd!
    Fühlt euch mal umarmt.

    1. piri ulbrich sagt:

      danke

    2. M. - K. sagt:

      Du magst keine Pauschalisierungen, Petra. Aber bei den Katzenbesitzern klingt es doch so…
      Ich kann nicht erahnen, was es bedeutet, so wenig zu sehen. Ich kann hingegen nachfühlen was es heißt, dass wird alles nicht(s) (mehr) und auch, zu selten zu sein, als dass man sich auskennt. Das hilft Carsten nicht und das ist traurig.
      Es braucht Zeit, sich über Grenzen klar zu werden, da gehört Traurigkeit dazu.

      1. piri ulbrich sagt:

        Ist es eine Pauschalisierung, wenn ich schreibe, dass jeder Katzenbesitzer mehr Aufmerksamkeit bekommt, wenn seine Katze krank ist, als dass wir beachtet werden? Ich empfinde es nicht so.

  2. Violine sagt:

    Besonders sein ist doof. Ich mag’s auch nicht, wenn ich besonders bin. Das ist so einsam, das seht Ihr ganz richtig.

    1. piri ulbrich sagt:

      einsam sein ist mistig!

  3. Frau Lakritz sagt:

    Oh nein, wie schade – und das bei einem so quicklebendigen Geist wie Carsten! Würdest du den Blondschopf mal ganz liebevoll von mir drücken? Und du fühl dich bitte auch gedrückt!

    1. piri ulbrich sagt:

      Er lässt fragen, ob ihr mal wieder kommt!

  4. dergl sagt:

    […]Taub sein, trennt die Menschen von den Menschen!

    Das würden weder das Kind noch seine Familie unterschreiben (und ich mit meinem eingeschränkten Hörvermögen – Komorbidität der ICP bei mir, viele in meinem Alter tragen Hörgeräte -, ohne Akustik auch nicht). Ich glaube, dass das eine Frage der Perspektive ist. Wenn man von außen draufschaut und es als Mangel wahrnimmt – nachvollziehbar. Wenn man, so wie das Kind und seine Familie schon immer so war, dann ist es nicht nachvollziehbar, sondern so (Achtung, Kind-Perspektive, von Geburt an taub und taub sozialisiert) wie wenn man sagen würde, dass jede Person, die eine andere Muttersprache hat und Deutsch als Fremdsprache spricht von den Menschen wegen der anderen Muttersprache getrennt ist und das stimmt ja nicht ganz. Es ist nicht der mangelnde oder fehlende Hörsinn, es ist das Fehlen von Barrierefreiheit (oder die Borniertheit der Menschen), das trennt. Wenn alle Gebärdensprachen könnten oder es überall Dolmetschende oder wenigstens Verschriftlichung gäbe – keine Trennung. So sehen das Kind und seine Familie das und viele andere taube und hörbehinderte Menschen auch. Da muss ich jetzt mal in die Bresche springen.

    Ich überlege ob ich die österreichische Bloggerin, die du meinst kenne, da blitzt was („da blitzt was“ ist unsere Form von „da klingelt was“, ich habe einige deutsche Redewuendungen Kindgemäß abgewandelt und der nimmt klingeln eben über Lichtblitze wahr). Aber ich kenne eine Schweizer Bloggerin, wobei ich nicht glaube, dass du die beiden vielleicht durcheinander bringst. Die aus der Schweiz findet sich hier: https://nichthoerend.jimdofree.com/

  5. piri ulbrich sagt:

    Deine Sicht ist für mich neu, kann ich aber akzeptieren und doch meine ich, dass wenn man nicht miteinander kommunizieren kann (als welchen Gründen auch immer) trennt das die Menschen voneinander.

    Zur Bloggerin – mag sein, dass du sie kennst. Die Schweizer Bloggerin kannte ich bis dato nicht. Heute habe ich keine Zeit mich in deren Blog einzulesen – ich ärgere mich mal wieder über eine bestimmte Person. Dieses tut hier im Blog nichts zur Sache, belastet mich dennoch.

    1. dergl sagt:

      Ich glaube, dass wir von verschiedenen Dingen sprechen könnten. Jemand, der:die taub ist oder nichtsprechend oder sonst wie keine Lautsprache benutzen kann, kann nicht automatisch nicht kommunizieren. Er:sie ist nicht sprachlos. Menschen, die tatsächlich sprachlos sind, wären aus meiner Sicht von den Menschen getrennt. Also sprach im Sinne von „keine Worte haben“ oder „sich nicht ausdrücken können“. Eben gerade taube Personen erleben sich als das Gegenteil von sprachlos. Gibt es eine Menge Material zu, im Gegenteil, das sind Quatschköpfe ohne Ende.

      1. piri ulbrich sagt:

        Kommunikation bedeutet ja nicht unbedingt reden. Das weiß ich schon und um entfremdet zu sein, reicht es schon, nicht dieselbe Sprache sprechen zu können!

  6. Paula sagt:

    Ich lehne mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster, Katzen sind ziemlich dumme Wesen. Ja, elegant, hübsch, schmusig, beweglich und zuweilen schnurrig und schmusig. Ich mag sie sehr, bin mit ihnen aufgewachsen und habe sie immer gut behandelt. Aber mir war immer klar, dass sie sehr gut allein klarkommen, sogar draußen, und mich ohne das Futter überhaupt nicht brauchen. Sie haben nicht annähernd so viel menschliche Aufmerksamkeit verdient wie Menschen wie Carsten, die ihr Schicksal so tapfer meistern. Ein Bussi für Carsten!

    1. piri ulbrich sagt:

      Ich mag Katzen auch – aus der Entfernung und mit Abstand. Jedes Lebewesen hat das Recht geliebt zu werden …

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