Behinderung, Kuddelmuddel

kein Freitag

… und schon gar nicht der dreizehnte!  Der Tag fühlt sich so an. Es war kalt, die Junioren mussten lange Hosen anziehen – ich habe die volle Breitseite der Entrüstung abbekommen: „Mama, wie kannst du uns nur diese warmen Hosen anziehen?“ Carstens Blick war scharf, wie ein Samuraischwert. Wiebke war‘s egal! Mein zweiter Morgenkaffee platschte mir vor die Füße – Lieblingstasse kaputt und die Küchenschränke gesprenkelt mit Milchkaffee. Warten, warten auf den Orthopädietechniker. „Ich komme gleich morgens, dann sind Sie als erstes dran!“ Bloß, wann bei ihm morgens ist, das hat er mir nicht gesagt. Um elf war er da – stand plötzlich in der Tür und wollte erst mal einen Kaffee, ich hatte um halb zwölf einen Termin. Zum Glück konnte er schnell (!) die verkehrsuntauglichen Autositze richten und meinen Termin konnte ich auf Freitag Vormittag verschieben. Ein Polizist rief an und wollte mir weiß machen, dass mein Enkel verhaftet worden ist und ich  eine Kaution stellen könnte, dann käme er frei. Sie würden einen Kollegen schicken, der das Geld abholt. Ich habe daraufhin die Polizei angerufen – leider war die angezeigte Nummer falsch. Wie dreist ist das denn? Der vermeintliche Polizist ist nicht gekommen und hat auch nicht wieder angerufen.  Dafür hat die Waschmaschine gestreikt und nicht geschleudert, ungefähr eindreiunddrölf Mal das Handy gebimmelt – mit nichtigen Nachrichten, die Nachbarin braucht ein Ei und der hilfsbereite Nachbarsgärtner möchte das ich Rindenmulch hole, denn ihm ist langweilig! Wiebkes Zeitschaltuhr zickt und da ich mit dieser Technik auf Kriegsfuß stehe, rufe ich den Wunschtochtermann an, damit er sie mir einstellt. Leider zickt die Uhr, gleich nachdem H. weg ist sofort wieder und ich krame die Uraltschaltuhr hervor – diese Technik beherrsche ich, ist aber so simpel, dass ich wohl eine neue Uhr besorgen werde. Carsten hat nichts – nothing, niente, nada, nix – in der Werkstatt getrunken und sieht aus, wie das Leiden Christi. Der heutige Helfer zuckt nur mit der Schulter: „Was soll ich denn machen?“ Tja, was soll er machen – das wüsste ich auch gerne! Betten muss ich noch beziehen, so ganz ohne Lust macht das einen Heidenspaß. Ich will weg, will ans Meer, will wenigsten einen guten Riesling oder ‚nen Fischbrötchen mit einem Alsterwasser dazu – wo ist der Flaschengeist? Bitte, wo ist Jeannie?
Kuddelmuddel

Montagmorgen

Ich stehe
auf
mit dem linken Fuß
setze ihn
auf den Boden
merke
dass es der richtige war
– sowohl der Boden
– als auch der Fuß

Tag – was bringst du
mir heute
– Wunder?

©petra ulbrich

Kuddelmuddel

Carsten sagt

„Mama, es ist gut, dass du das Bild nicht jedem zeigst – ich bin zwar gerne öffentlich, aber alle müssen mich nicht sehen*.“  Mein Sohn ist toll und gestern Abend in der Disco, als einige behinderte Freunde davon erzählten, wie es ist, im Wohnheim zu wohnen, meinte er nur: „Zu Besuch mag ich das auch mal ganz gerne und von Zeit zu Zeit auch, aber richtig wohnen möchte ich doch lieber Daheim. Da passiert mehr!“ Das hat mich stolz gemacht. Setzt mich aber auch unter Druck, denn wie lange kann ich diese Arbeit noch leisten?

[…] Jetzt habe ich ganze Abschnitte gestrichen – es geht ums liebe Geld und um die Zeit und um Helfer, um Spaß und darum niemanden zu bevormunden, dabei aber dennoch Gemeinsamkeiten zu finden und diese auszuleben. Ein Tagesausflug den ich mit Helfern mache, kostet mich schnell 150€, da ist dann nicht die Fahrt dabei und kein Eintritt und kein Essen und Trinken [….] und jetzt streiche ich wieder. Es ist warm, wahrscheinlich viel zu warm und wahrscheinlich habe ich auch zu hohe Ansprüche – an mich und meine Mitmenschen. Wahrscheinlich bin ich auch für dieses Wochenende des Planens müde und bin neidisch auf andere Familien, die einfach losfahren und irgendetwas machen.

Wiebke ist seit 7:00 Uhr wach, Carsten pennt noch und ich weiß nicht, wem ich gerecht werden soll!

Schlechtes Gewissen Kuddelmuddelgedankenspiel auch mir selbst gegenüber. Diese Scheißdepression, die macht mich noch ganz fertig!

*Ihr dürft aber gerne nach dem Passwort fragen!