Nein, es ist nicht logisch und auch nicht rational und schon gar nicht nicht notwendig, ich habe es trotzdem – das schlechte Gewissen!
Auch wenn mir jeder sagt, dass es völlig unnötig ist, eins zu haben. Wenn ihr auf mich einredet – egal wie – mein schlechtes Gewissen könnt ihr mir nicht ausreden. Versucht es erst gar nicht! Dieser bescheuerte Helfernotstand – mal einen ganzen Tag jemanden haben, wäre so schön, dann könnten wir einmal wieder schwimmen gehen – dieser Helfernotstand hat erheblich etwas mit meinem schlechten Gewissen zu tun…
Nein, ich habe keine Lust zu meutern – wenn es denn wenigstens meutern wäre, dann würde ich was tun! Ich will nicht mehr wehklagen und mich selber bemitleiden. Mir geht dies ganze Negativgetue auf den Keks. Wie es ist, ist es nun mal. Was nicht heißt, dass es nicht zu ändern ist. Aber solange ich den Kopf in den Sand stecke, habe ich ihn nicht frei…
Gut, ich habe unsere Windelfrage geklärt. Aber das ist doch nur ein kleiner Teil meiner täglichen Aufgaben. Vielleicht stellt ihr euch zwei Kinder vor – eins in der Trotzphase eines Dreijährigen und eins in der Diskussionsphase eines elfeinhalbjährigen – jeden Morgen, ohne Ausnahme, nur am Wochenende etwas entzerrt. Und stellt euch das mal vor, dass das seit ca. 35 Jahren so ist. Ich stehe auf und weiß, was mich ungefähr erwartet – und doch ist es täglich neu. So weit, so gut! Das stört mich auch gar nicht, damit kann ich mehr oder weniger souverän umgehen. Dieser Meckerpunkt sollte eigentlich wegfallen.
Mich aufregen tue ich mich über einzelne Punkte, mich nerven Kleinigkeiten, ich meutere über die Parkplatzsituation und verstehe nicht, dass Nachbarn – die unsere Lage ja kennen – den Eckparkplatz belegen. Die Gemeinde hat leider noch nicht den Platz als Behindertenparkplatz ausgewiesen. Es sind die Kleinigkeiten, die zusammen die Masse machen und das macht mürbe. Ich sollte nicht das Ganze sehen, sagen manche Leute. Ich sollte das Ganze sehen, sagen wieder andere. Recht haben sie beide und abnehmen tut mir das dennoch niemand. Nein, nein, nein, ich bin nicht völlig alleine, ich habe jede Solidarität, jede Hochachtung, sogar Bewunderung und trotzdem gibt es Dinge, die bei anderen kein Problem – bei mir aber ein großes sind.
Ich gehe jetzt noch mal ins Bett. Einfach so. Weil ich es kann. ….und weil ich dann nicht meckern, motzen, mich aufregen, echauffieren, klagen und so weiter kann. Außerdem macht schlafen schlank!
Angst heißt, in einer stern- und mondlosen Nacht, verlassen und ein wenig blutend, im offenen Meer zu treiben, mit nichts Greifbaren um sie herum, über einer bodenlosen Tiefe – und zu warten.
So oder so ähnlich fühle ich mich oft, auch jetzt. Ich blute nicht und doch fühle ich mich so – blutleer. Es ist oft so, wenn ich etwas erreicht habe, dass ich dann freischwebend in der Luft, an einem seidenen Faden übern Abgrund hänge. Ich kann es nicht glauben, dass ich etwas geschafft habe, dass ich das Windelthema mit der Krankenkasse gut gelöst habe. Es hat mich Überwindung gekostet, viele Telefonate – dabei telefoniere ich äußerst ungern. Als Kind habe ich mich versteckt, wenn das Telefon bimmelte. Als noch keine Nummern angezeigt wurden, bat ich meinen Mann den Anruf entgegenzunehmen. Jetzt, da die Nummern angezeigt werden, ja gar die Namen, nehme ich noch lange nicht jeden Anruf an. Aber ich habe es geschafft, ich bin stolz. Die Windelfrage ist geklärt!
Aber es ist auch so, dass, wenn ich etwas Schönes erreicht habe, ich danach sehr traurig bin. Besonders, wenn ich ganz alleine bin und sich niemand so richtig mit mir freut. Dann kommt die diffuse Angst und hängt sich an meine Waden. Keinen Schritt kann ich laufen und meine Gedanken kreisen schon ums nächste Projekt, bei dem ich auch mit Menschen verhandeln und reden muss. Ich kann mich unterhalten, ich kann auch gut verhandeln, aber ich sterbe währenddessen tausend Tode …
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