Gedicht

Bedenkt

Bedenkt, dass jetzt um diese Zeit,
der Mond die Stadt erreicht.
Für eine kleine Ewigkeit sein Milchgesicht uns zeigt.
Bedenkt, dass hinter ihm ein Himmel ist,
dem man nicht definieren kann.
Vielleicht kommt jetzt um diese Zeit
ein Mensch dort oben an.
Und umgekehrt wird jetzt vielleicht
ein Träumer in die Welt gesetzt.
Und manche Mutter hat erfahren,
dass ihre Kinder nicht die besten waren.
Bedenkt auch, dass ihr Wasser habt und Brot,
dass Unglück auf der Straße droht,
für die, die weder Tisch noch Stühle haben
und mit der Not die Tugend auch begraben.
Bedenkt, dass mancher sich betrinkt,
weil ihm das Leben nicht gelingt,
dass mancher lacht, weil er nicht weinen kann.
Dem einen sieht man’s an, dem andern nicht.
Bedenkt, wie schnell man oft ein Urteil spricht.
Und dass gefoltert wird, das sollt ihr auch bedenken.
Gewiss, ein heißes Eisen, ich wollte niemand kränken,
doch werden Bajonette jetzt gezählt und wenn eins fehlt,
es könnte einen Menschen retten,
der jetzt um diese Zeit in eurer Mitte sitzt,
von Gleichgesinnten noch geschützt.
Wenn ihr dies alles wollt bedenken,
dann will ich gern den Hut,
den ich nicht habe, schwenken.
Die Frage ist, die Frage ist,
sollen wir sie lieben, diese Welt?
Sollen wir sie lieben?
Ich möchte sagen, wir wollen es üben.

© Hanns Dieter Hüsch

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Uuups, bedenkt, dass bald Weihnachten ist. Ich denke, dass meine Geschwister nicht anders können. Wenn sie es denn könnten, so bedenke ich, dann würden sie anders reagieren. Nur lasse ich mir heute nicht die Suppe versalzen …

Gedicht, Kuddelmuddel

4. Advent

Bin wieder einmal viel zu früh wach geworden und sitze im dunklen Wohnzimmer. Warum bin ich allein? Ich möchte das nicht sein. Die Umstände – tja, liegt es wirklich nur daran? Habe ich mich nicht auch bequem eingerichtet und scheue die Suche? Zugegeben, es erfordert Mut und auch Kraft. Aber vor allen Dingen braucht es Zeit, die ich nicht habe. Dann nicht habe, wenn andere, denen ich gerne begegnen möchte, sie haben. Abends bin ich daheim. Mit zwei pflegebedürftigen Menschen ist es nicht so leicht, abends mal auszugehen. Ich traue mich nicht, meine wenigen Freunde zu fragen, ob sie Sittingdienste (was ein furchtbares Wort. Aber wie soll ich es sonst sagen?)  übernehmen könnten.

Die Junioren schlafen. Ich habe den Kerle geküsst und er hat: “Danke” gemurmelt. Das Töchting darf ich nicht berühren. Sie mag nicht gestört werden. Auch wenn ich sie küssen oder streicheln möchte, will sie, dass ich sie vorher frage. Der Kerle dagegen liebt Berührungen und Körperkontakt.

Draußen vor der Tür brennt in einer sehr alten Laterne eine Kerze. Sie leuchtet in die Dunkelheit:
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Das Licht in deiner Hand

Das Licht in deiner Hand,
trage es hinaus in die Welt,
in der Einsamkeit
und Verzweiflung Einzug hält,
Armut den Gipfel erreicht,
die Würde vor Mensch und Natur
sich dem Abgrund nähert.
Denn die Kraft und Wärme
zieht Kreise,
und endet nicht vor deiner Tür.

Das Licht in deiner Hand,
erhellt den Morgen, den Tag,
die Finsternis,
in denen das Wesentliche
einen Namen trägt:
Menschlichkeit.

© Edith Maria Bürger