Audio, Gedanken, mp3

Zähle nicht

Vielleicht denke ich zu viel und gehe zu wenig!?

Es hat gedauert, bis ich verstanden habe, was tot bedeutet, doch nach 6 Jahren habe ich es immer noch nicht begriffen! Rein kognitiv weiß ich natürlich: Es wird kein Wiedersehen geben, kein in den Arm nehmen, keinen Streit, kein reden, kein anschauen und kein erwarten. Ich kann meinen Mann nie wieder durch die Wohnung tappen hören und mich nie wieder ärgern, wenn er seine Socken irgendwo fallen gelassen hat. Ich habe Wut. Wut darüber, dass er so mir nichts dir nichts verschwunden ist – von einem Tag auf den anderen. Wut darüber, dass er mich allein gelassen hat mit dem ganzen Schlamassel. Es gibt immer noch Nächte, ja sogar Situationen an hellen Tagen, da höre ich Autotüren zuschlagen, Schritte auf der Treppe, die Haustür, die knarzend geöffnet wird und ich denke MamS steht jeden Augenblick vor mir und zeigt mir eine lange Nase. Meine Wut ist groß, ja sogar größer als Wochen nach dem jähen Tod. Es ist sogar so, dass mein Mut ein bisschen kleiner geworden ist. 

Es jährt sich der Todestag. Wie oft haben wir schon ohne ihn den ersten Schnee erwartet? Wie viele Advent schon ohne ihn erlebt? Wie viele Weihnachten? Wie viele Urlaube sind nicht gewesen, weil MamS nicht da war und wir uns gegenseitig unterstützen konnten?

Ich könnte schreien – nein, ich tu es ja immer wieder wenn niemand mich hört: Wieso? Warum? Was habe ich getan? … und, warum steh ich so hilflos da?

 

Behinderung, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

Konglomerat

Konglomerat ist ein Wort meines Vaters – ich erinnere mich. Die Gemengelage meiner Gedanken lässt mich einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich sag‘ dazu immer Kuddelmuddel – das lustige Wort macht es aber nicht besser! Hab‘ die Junioren weggebracht, unter Tränen. Besonders Wiebke hat sehr geweint. Fremde Menschen wollten sie trösten – mein Töchting hat noch mehr geweint und geschrien. Heimweh, schon vor der Abreise in die Ferien! Das kann heiter werden. Betüddelnde Betreuer – Wiebke kann so was gar nicht gebrauchen. Genauso wenig, wie gestreichelt und angefasst werden. Haben die Leute meine „Gebrauchsanweisung der Junioren“ nicht gelesen? Zum Glück sind 2 Frauen dabei, die meine Junioren und ihre Marotten kennen, die wissen, dass Wiebke Autistin ist und möglichst in Ruhe gelassen werden möchte. Erst recht, wenn sowieso schon Holland in Not ist und die Tränen fließen. Carsten freut sich auf den Urlaub – aber: „Du Mama, ich freu mich jetzt schon, wieder nach Hause zu kommen!“ Meine Junioren sind nicht dumm. Besonders der Kerle ist äußerst empathisch und spürt, dass mich etwas sehr bedrückt – ich muss die Situation klären, aber alleine kann ich das nicht. Dazu brauche ich das gegenüber, das bereit ist, auch zu reden! Es ist Herbst! Die dunkle Jahreszeit fängt an. Es wird kalt. Kalt, wie im Winter. Die Junioren frieren sitzend auf ihren Rollstühlen. Dieses Jahr hatten wir kaum Frühling und einen Herbst auch nicht wirklich. Der Winter ist nicht unsere Jahreszeit! Ich schreibe Gedichte, die kaum jemand lesen mag. „Besinn dich auf die Fähigkeiten, die du hast und schau nicht immer, was du nicht kannst!“ Mit meinen Gedichten kann die wohlmeinende Freundin – kann kaum jemand aus meinem Umfeld etwas anfangen. Ich schreibe trotzdem. Ist es Trotz? Nein, ich schreibe, weil ich es möchte, weil es ein Bedürfnis und ein großer Ausgleich zu den Unwegsamkeiten ist. Niemand muss sie lesen oder gar hören – ich tu’s in erster Linie für mich. Dennoch wäre es schön – das hatten wir ja schon. Ich wünsche allen ein schönes, eine Stunde längeres, Wochenende. …übrigens: ich gehe jetzt zum Singen in die Badewanne!

eineinhalb Stunden später

Die Helferin wird nicht mehr kommen. Wir haben uns nicht aussprechen können. Sie hat mir, mit großen Vorwürfen, den Bettel vor die Füße geworfen!

Eigentlich erleichtert mich das. So ist wenigstens ein Schlussstrich gezogen und ich brauche keine Rücksicht mehr zu nehmen!

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Familie, Gedanken, Junioren

Hüte deine Zunge!

Nervosität prägt diesen Tag. Ich stehe unter Spannung – Hochspannung. Ich muss Lösungen finden. Eine Helferin, die lange Zeit nicht hier war, kommt heute Abend. Wir haben uns noch nicht ausgesprochen, jedenfalls besteht von meiner Seite noch Handlungsbedarf. Aber da sie ihre Tochter mitbringt und Carsten und Wiebke auch sehr große Ohren haben und dieses Klärungsgespräch nicht für Kinder und Junioren gedacht ist, wird nichts dergleichen passieren.

Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu emotional werde, obwohl es gerade das ist, was besprochen werden muss – ich muss wirklich darüber reden, sonst zerreißt es mich innerlich.

Wahrscheinlich hat die Helferin die Erwartung an mich, dass ich ihr das Geld weiterhin so bezahle, wie vor dem Zwist. Ich habe die Befürchtung, dass sie weitermachen will, wie vorher – als sei nichts geschehen. Das kann ich nicht – mein Vertrauen ist gebrochen, zerbröselt. Ich kann ihr diesen Raum nicht mehr geben, den sie hatte. Ich will nicht mehr auf Familie machen. Ich hätte gerne ein rein geschäftliches Verhältnis. Ob das möglich ist, wird sich heute nicht zeigen. Ich werde ihr die Chance geben, aber wenn ich auch nur ein Fünkchen eines unguten Gefühls habe, dann werde ich aufgeben.

Hoffentlich werde ich gelassen bleiben und mich nicht emotional erpressen lassen!