In diesen vier Tagen hatte ich ein anders anstrengendes Leben als daheim. Wir waren unterwegs. Nicht wie andere Menschen, die sich ins Auto setzen und losfahren. Nein, schon ein bisschen aufwändiger. Wie, ist völlig egal, tut auch nichts zur Sache. Mit zwei Rollstühlen zu reisen, so kann sich jeder vorstellen, erfordert ein wenig mehr Logistik. Beide Junioren können nicht alleine stehen, keine Sekunde – entweder Rollstuhl, tragen oder woanders sitzen. Wir hatten eine junge, wunderbare, unkomplizierte Freundin als Begleitung an unserer Seite, die auch bei Bedarf eine Ansage machte.
Ansagen brauchten wir nicht viele, denn die Junioren hatten ein Dauergrinsen auf dem Gesicht. Unterbrochen mit kleinen Motzern und richtig viel gemacht haben wir eigentlich auch nichts – nur das Leben genossen. Kakao getrunken, Limo, Cola, Bier – der Kerle hat Bier getrunken, ich nur hin und wieder eine Weinschorle, und flaniert sind wir. Am Wasser lang, durch den Regen. Pizza haben wir gegessen und ganz fein Fisch. Tempeh habe ich entdeckt. Von den Schafen hab ich schon erzählt, vom abgefahrenen Schiff. Aber von den wunderbaren Begegnungen muss ich schreiben und den liebenswerten Menschen, den Gesprächen nebenbei, die tiefgehend wurden oder dahinplätscherten. Von leeren Plätzen am Tisch und zusammenrücken auf dem Schiff am nächsten Tag – und dann sind wir doch im nächsten Hafen ausgestiegen. Das andere Schiff war kleiner, schnuckeliger und hatte Sonne am Heck. Carsten hat erfahren dürfen, dass Kakao auch mit Haferdrink lecker ist, und ich trinke keine Chai-Latte mehr – viel zu süß! Abseits der Touristenstraßen gibt’s auch in Bodenseestädtchen Studycafés, die leckere Kuchen backen – nicht nur Cupcakes, die hoffnungslos überschätzt werden.
Bewusst habe ich ein Biohotel mit Inklusionsbelegschaft (nee, ne, das Wort stimmt nicht. Aber wie nennt man das, wenn Menschen mit Handicap dort beschäftigt sind? – Keine ernstgemeinte Frage und bitte diesbezüglich keine Belehrung. Also sehr bewusst habe ich einen Inklusionsbetrieb gewählt und nicht bereut. Gekocht wurde dort jedenfalls hervorragend und es gab mehr als ein vegetarisches Gericht. Die Brotauswahl zum Frühstück, hmmm. Da hätte ich es gerne wie Heidi in dem Roman von Johanna Spyri gemacht, in Frankfurt bei Klara, und die Brötchen gehortet.
Behindert? Behindert war da niemand. Nirgends! Ja, okay, es gab Hindernisse, auch Tränen, und Friede, Freude, Eierkuchen ist Utopie. Es war für die eigenwilligen Junioren nicht einfach, den ganzen Tag miteinander, ohne Rückzugsmöglichkeit, aufeinanderhocken zu müssen, da kracht es schon mal. Kurz und heftig und wieder vorbei. Das Dauergrinsen war nicht so leicht zu tilgen.
Wir erwachsenen Begleiterinnen hatten ein bisschen mehr Stress und zu tun, fusselige Münder hatten wir, glaub ich, beide. Aber schön, schön war es doch!
Was hat das jetzt mit dem Sinn des Lebens zu tun? Genießt die Zeit, genießt das Leben, und wenn’s nur ne Tasse Kaffee zwischendurch ist oder der lummelige Hamburger in der Fastfood-Kette am Rasthof neben der Autobahn. Auch da kann man tolle Menschen treffen und philosophische Gespräche führen. Auch da gibt es Leute, die dir unvermittelt 20€ für ein Dessert in die Hand drücken und dabei wie ein Honigkuchenpferd strahlen und denen Carsten dann in astreinem Englisch „Thank you!“ sagt.
Wir sind wieder zuhause. Das Töchting ist sofort in ihr Zimmer abgeschwirrt, der Kerle sitzt zu meinen Füßen und ich bin müüüüde glücklich.