Kuddelmuddel

Entschuldigung | Kuddelmuddelgedanken

Entschuldigen kann ich mich selber nicht, das muss schon jemand anderes tun. Ich kann darum bitten und hoffen, dass mir mein Gegenüber mein Verhalten nicht übelnimmt.  | Wortklaubereien! Ich bin kein Meister in Spitzfindigkeiten, bin aber in einer Familie aufgewachsen, in der die Mitglieder Sophistereien bis zur Weißglut des anderen betrieben haben. Einer meiner Brüder hat grundsätzlich alles wortwörtlich genommen – auch dann, wenn er es anders hätte verstehen können und auch getan hat. Ich selbst bemühe mich, den Hintergrundgedanken mancher Wortspielereien zu verstehen, oft gebrauche ich selbst welche.

Dies zur Vorrede. Eigentlich geht es darum, warum ich mich immer und immer wieder entschuldige. Es wurde mir eingebläut. Inzwischen ist es für mich zum Automatismus geworden. Gerade weil ich vieles, wie mein Bruder (ja, eigentlich besteht der Großteil meiner Herkunftsfamilie aus Asperger-Autisten), weil ich viel wörtlich nehme, was andere als Metapher angesehen haben. So kommen Missverständnisse auf. Wenn ich dann auch noch knapp antworte, was viele als schroff ansehen, dann scheint es, dass mein Gesprächspartner und ich nicht nur aneinander vorbeireden, sondern gar auf verschiedenen Planeten leben.  So wurde mir beigebracht: Entschuldige dich für deine Handlungen und Reden, es könnte missverständlich, undurchsichtig, unübersichtlich suspekt sein – da ist es im Vorfeld gut, wenn du gleich erklärst, dass das der Fall sein kann. | Habt ihr das verstanden? Habe ich mich zu verschroben ausgedrückt?

Mein Entschuldigen ist auch Verunsicherung. Ich möchte niemanden zu nahetreten oder beleidigen – ehe ich das tue, diskreditiere ich mich lieber selbst. Sicher, ich beleidige auch und schließe aus, bin unhöflich und gemein – und jetzt greift die Erziehung meiner Eltern; Entschuldige dich im Vorfeld […)

Das ist ein Kuddelmuddelgedankenspiel – ein Gedanke, ein Kuddelmuddel von vielen, die tagtäglich durch mein Hirn rasen.

Behinderung

sorry | September

Entschuldigt die geschützten Beiträge, aber bei mir gibt es so viele Baustellen – bildlich gesehen über das gesamte Stadtgebiet verteilt – ich kann nicht anders, ich muss mich abschirmen. Corona isoliert. Die Behinderung meiner Kinder macht es mir nicht leicht Anschluss zu finden und zu halten. Waren wir schon vorher isoliert, sind wir es jetzt erst recht. Dazu kommt, dass ein Freund schwer erkrankt ist. Näheres möchte ich gar nicht schreiben. Alles spielt eine Rolle hier im Blog.  Selbst bin ich auch nicht gesund. Meine Junioren sehen nichts mehr – jedenfalls nur sehr wenig – Carsten isst nicht und Wiebke zieht sich viel zu viel zurück. Ich habe Angst! Mein Leben gerät mehr und mehr außer Kontrolle. Nachts schlafe ich unruhig und tags versuche ich für meine Kinder und die Außenwelt stark zu sein. Nützt nichts – muss sein. Schwäche zu zeigen, bringt auch nichts. Damit ernte ich nur Unverständnis: „Du schaffst das doch alles sehr gut!“ Ja, ich schaffe es – aber zu welchem Preis?

Dass ich meinen Junioren gegenüber ständig ein schlechtes Gewissen habe – Carsten möchte in die Stadt gehen, ein bisschen bummeln, eventuell in ein Spielwarengeschäft und den drölfhunderteinundzigsten LKW und den fünfhundertachtzigsten Trecker kaufen, oder nach einem Spiel gucken. Wiebke möchte sich selbst Haarspängelchen kaufen, oder vielleicht doch eine neue Babypuppe? Ich muss ihnen sagen, dass das nicht geht, weil niemand da ist, der mitkommt! Diese ganze Coronazeit wird noch lange dauern. Soziale Kontakte und Aktivitäten werden mehr und mehr verkümmern. Es wird kein Handballspiel mit Zuschauern geben, keine Bandkonzerte, noch nicht einmal Bandproben! Es werden keine Kurse stattfinden, keine wöchentlichen Treffs, die Ausflüge der OH sind auf ein Minimum zurückgestutzt, es gibt keine Konzerte […] – ach, ich wiederhole mich, alles schon gesagt! Wisst ihr, die Last, die ich trage, trage ich sehr gerne und für meine Kinder würde ich durch die Hölle gehen, damit es ihnen gut ergeht. Ich empfinde, dass es zu wenig ist, was ich mache. Andere sagen, dass es genug ist. Mein Gefühl ist ausschlaggebend, denn es geht um uns/mich. Andere stecken nicht in unserer Situation! Sicher, es tut gut zu hören, dass ich nicht nichts mache, dass ich wenigstens versuche die Normalität zu wahren. Normal ist unser Leben nicht – war es noch nie und jetzt sind wir von Normalität meilenweit entfernt. So weit weg, dass mich Krankengeschichten anderer, zum Beispiel, die der Pastorenfreundin: „Mein Fuß tut mir weh! Schlecht geschlafen habe ich diese Nacht! Ich musste wieder Schmerzmittel nehmen! Die Hüfte ist meine Schwachstelle! Das Wetter ist wieder gegen meine Gesundheit! Und so weiter und so fort …“ Ich kann es nicht mehr hören. Über Carstens Essen will sie nichts mehr hören und gestern konnte oder wollte sie auch nichts zu einer Hiobsbotschaft, den Freund betreffend, sagen.

Familienhilfe, die ich möchte, gibt es nicht. Meine Junioren sind zu alt, sind keine Kinder mehr. Da spielt es keine Rolle, ob sie kognitiv noch welche wären. Es gibt keine Hilfe. Punkt! Es gibt wirklich keine, auch keine selbst zuzahlende – armes reiches Deutschland! Drückt mir die Daumen, dass ich heute eine Sachbearbeiterin eines Rehabilitatsionshauses (?) – einer Kureinrichtung für Mütter und Väter mit Kindern (auch behinderten Kindern) in Norddeutschland erreiche. Durch eigene Recherchen bin ich auf ein Haus gestoßen, dass behinderte Menschen aufnimmt und sogar Essstörungen betreut. Die Warteliste scheint lang zu sein. Ich hoffe auf Verständnis und Bevorzugung Angesicht unserer Lage.

Jetzt lasse ich das morgendliche Bad ein, werde Carsten & Wiebke wecken, beide für die Werkstatt, den Förder- und Betreuungsbereich richten. „Mama, mir fehlt der Kontakt zu meinen Kumpels!“ „Mama, ich vermisse meinen Freund!“  Leider ist es auch dort nicht mehr möglich, dass sich Freunde aus den verschiedenen Bereichen treffen – blödes Corona sein Dank!