Gedanken, Gedicht, Kuddelmuddel

stiller Morgen

Es passiert nichts. aber auch rein gar nichts – was nicht stimmt, weil immer was geschieht. Die schwarzen Schuhe, die ich mir im letzten Herbst gekauft habe, drücken immer noch. Warum ich sie nicht schon längst weggegeben habe? Keine Ahnung. Aus Bequemlichkeit vielleicht. Es liegt aber auch daran, dass ich noch keine Gelegenheit gehabt habe zur Aufbaugilde zu fahren, die am anderen Ende der Stadt ist. Auch heute ist mein Tag verzettelt. Um 10 Uhr kommt ungefähr das Sauerstoffgerät für den Kerle und bis dahin kann ich nicht viel machen. Kein Waschpulver einkaufen (was ist eigentlich das beste Waschpulver?), nicht staubsaugen (weil der Hepa-Filter fehlt) und lesen geht auch nicht, weil mir die Konzentration dazu ebenso fehlt.

Still tickt die Uhr. Tick, tick, tick, tick, tick. Wenigstens tickt sie und ist nicht nur eine elektronische Zeitanzeige.

∙∙∙∙∙

Tick, tick, tick, tick – ich gucke mich um und schwimme in Gedanken. Ich lese ein Gedicht und möchte mich ans Meer beamen:

Auf der Schwelle des Hauses

In den Dünen sitzen. Nichts sehen
Als Sonne. Nichts fühlen als
Wärme. Nichts hören
Als Brandung. Zwischen zwei
Herzschlägen glauben: Nun
Ist Frieden.

Günter Kunert

∙∙∙∙∙

14:22 Uhr – Außer Spesen und Stress nichts gewesen. Das Sauerstoffgerät ist nicht geeignet für einen so kleinen Mann, wie meinen Sohn. Ganz abgesehen davon, dass es erst um halb eins kam. Viel zu groß und unhandlich. Dann bin ich einkaufen gehetzt und finde, als ich wieder daheim war, an der Tür eine Benachrichtigung, dass ein Paket dieser Versorgungsfirma angekommen ist  und beim Nachbarn abgegeben wurde. Der ist natürlich jetzt nicht zuhause. Ich habe keine Ahnung was das sein kann und bin schon wieder völlig aufgelöst, vor lauter Überlegungen.

Gedanken

der Info geschuldet

In Israel sind die letzten lebenden Geiseln freigelassen worden. Der selbstherrliche US-Präsident Trump macht mir ein Kotzgefühl. Das elende Leid der Palästinenser beschäftigt mich, die Bilder im Fernsehen erschüttern mich. Sprachlos und überaus voller Angst mit großer Ungewissheit sitze ich wie gelähmt auf dem Sofa.

Carsten sagt: „Ein Friedensanflug, ein kleiner – aber wir sieht es in der Ukraine aus, oder im Jemen und Afghanistan?“ Nicht nur mir macht dieser allgemeine brüchige Frieden zu schaffen.

Dazu kommt ein leiser Rauchmelderpiepton und andere sich auftürmende Kleinigkeiten …

Gedanken

vergiss den Gesang des Augenblicks nicht

Kaffeeduft liegt im Schlafzimmer, es ist Montagmorgen und eigentlich noch viel zu früh. Zu kurz war die Nacht. Erst konnte ich nicht einschlafen und dann bin ich auch so zeitig aufgewacht.

Ist das eigentlichen ein Altersthema? Wo bleiben meine Altenthemen? Ich bin’s doch auch inzwischen. Alt! Ich kann da gar nicht mitreden. Schon wieder nicht mitreden. Hab kein Interesse daran, jedes Zipperlein zu kommentieren und zu erzählen. Es ermüdet mich. Wenn zum Beispiel die Pastorenfreundin – ja, es gibt sie noch – jedesmal wenn wir telefonieren erst einmal eine Viertelstunde von ihren Blähungen und den Magenproblemen, samt Rückenschmerzen und Schmerzmitteln erzählt, wohlweislich fast immer wortwörtlich dasselbe, dann bin ich schon mal gemein, sie sieht mich ja nicht und lege den Hörer aufs Küchenbord und erledige nebenbei meine Arbeit.
Aber auch ich ertappe mich, dass ich von Wehwehchen erzähle. Von der Atemnot. Vom Luft holen und ich denke, das ist nicht nur somatisch, da spielt die Psyche eine große Rolle. Ich werde älter. Auch mir tut hier und da was weh. Ich versuche es so weit wie möglich zu verdrängen. Wie geht ihr damit um? Wir haben keine Waage im Haus. Kein Blutdruckmessgerät. Jetzt einen Pulsoxymeter. Und an Schmerzmittel nur die Cannabistropfen der Junioren. Ich habe eine Schmerzmittelallergie. Darf nur Opiate, bei allen anderen freiverkäuflichen bekomme ich einen anaphylaktischen Schock bzw. schlimme Urtikaria.

Oh Himmel, jetzt habe ich doch so viel übers Kranksein geschrieben. Dabei zieht mir der frische Kaffeeduft in die Nase und ich freue mich auf den ersten Schluck. Mit Milch, ohne Zucker, heiß und ganz allein für mich im Bett. Es ist Montag. Die Woche fängt an. Eine, hoffentlich ohne Ausreißer nach unten und oben …