Ein Dienstag, vormittags lief die Waschmaschine wieder ununterbrochen, weil der Kerle in der Nacht ohne Windel geschlafen hat. Ich war leicht gestresst, hatte Kopfweh und überhaupt keine Lust zu bügeln. Um mir wenigstens die Zeit vertreiben zu können, sie ein wenig kurzweiliger zu machen, stellte ich mein Bügelbrett vor den Fernseher und wollte mir gerade einen Schnulzenfilm in den Videorecorder schieben, da wurde die laufende Talkshow – Jürgen Fliege, war es, so glaube ich mich zu erinnern, – die Talkshow wurde jäh unterbrochen.
Eine Sondersendung der Tagesschau flimmerte über den Bildschirm. In New York sei ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen. Ein Turm brennt. Menschen rufen aus den Büros die Rettung und die Feuerwehr an. Sirenengeheul auf den Straßen der Riesenmetrolpole, Panik! Alle rennen, laufen, die Kameraeinstellungen sind wirr, stolpern, stürzen und wackeln. Ein eilig hingelaufener Reporter steht bleich auf der Straße – mitten drauf – vor den beiden Türmen und weiß vor lauter Aufregung nicht, was er sagen soll.
Mich beschäftigt das in diesem Augenblick sehr, so sehr, dass ich meinen Mann anrufe. »Was willst du? Ich bin mitten in einer Besprechung. Ist es etwas Wichtiges?« »Schalt mal ein Radio ein, oder versuche irgendwie an einen Fernseher zu kommen, in New York ist die Hölle los!« »Interessiert mich doch nicht, was in Amerika passiert!«
Aufregung im Fernseher. Die Bilder auf der Mattscheibe beginnen zu wackeln, hektischer Kameraschwenk, Schreie, Entsetzen, völliges Durcheinander. Ein Kameramann reißt sein Gerät nach oben, zu den Wolkenkratzern und da passiert das Unglaubliche. Während die Bilder laufen, live im Fernsehen gezeigt werden – Bilder von schreienden, hysterischen Menschenmassen, die um ihr Leben rennen, über und über mit Schutt und Asche bedeckt sind – rast ein zweites Flugzeug in den anderen Turm …
Ich will das nicht sehen, will den Kasten ausmachen, möchte seichte Musik und Schlager hören, will mich berieseln lassen und komme trotzdem von den Bildern nicht weg. Die CD, die ich in den Player lege, regt mich nur auf – weg damit. Im Radio gibt’s auch nur hektische Stimmen …
Es klingelt an der Haustür: Was, schon so spät? – Die Junioren kommen. «Mama«, schreit Carsten schon von weitem, »Mama, hast du das gehört? Da sind Idioten unterwegs. Es sind 2 Flugzeuge ins World Trade Center geflogen. Und eins ins Pentagon. Und die blöden Menschen …«
Mein Bügelbrett und die darauf liegenden Hemden waren mir völlig egal! Soll doch der Mann ungebügelt ins Büro gehen. Wenn er sich nicht dafür interessiert, was ich ihm dringend mitteilen wollte, dann sollte er doch auch selber sehen, wie er herumläuft.
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Noch heute beschäftig mich dieser Anschlag genauso wie damals. Nimmt mich mit. Macht mir Herzklopfen und es ist völlig egal, was ich eigentlich schreiben wollte!
B. sagt:
Danach waren für mehr als ein Jahr jedes Wochenende mehrere Beerdigung.
Der Mann einer Freundin war dort Feuerwehrmann. Inzwischen ist er an Krebs (wie viele andere) verstorben.
Ich glaube, dass sich viele an den Moment erinnern.
Angela sagt:
Moin,
Ich denke jeder weiß noch ganz genau , was er an dem Tag getan hat, wo er war. Wirklich jeder! Und danach war die Welt eine andere.
Gruß Angela
B. sagt:
Yep, die, die es live miterlebt haben, hat es für immer verändert.
Georg Rode sagt:
Das hat sich so eingebrannt, das geht nie wieder weg.
Amélie sagt:
Also auch Du so jemand mit einer glasklaren Erinnerung an jenen 11. September. Du bist eine sehr gute Erzählerin. Du schreibst so, dass ich die Gefühle, die Dich an diesem Tag genauso überwältigten wie damals auch mich, äußerst nachfühlbar in Szene gesetzt. Dein Sohn hat (wieder einmal) so Recht, wenn er Menschen, die Kriege führen, die gewalttätig gegen andere sind, blöd findet. Er bringt es auf den Punkt.
Liebe Grüße von Amélie
Amélie sagt:
Bitte entschuldige einen Satz, der sich im Textgewebten verhedderte, hier die Korrektur:
„Du schreibst so, dass ich die Gefühle, die Dich an diesem Tag genauso überwältigten wie damals auch mich, nachfühlen kann.“
karfunkelfee sagt:
P.S.: Mein Like steht für den künstlerischen Anspruch in Deinem Erzählstil.
piri sagt:
Danke dir. Ich bemühe mich so zu schreiben, dass es auch gerne gelesen wird.
Rosi sagt:
ich weiß zwar nicht mehr was ich damals gemacht habe
aber dass es mir sehr erschüttert hat
und ich es gar nicht glauben konnte
dieses Inferno ..
die verzweifelten Menschen
und immer die Frage.. wie kann man so etwas tun 🙁
du hast es sehr gut beschrieben
liebe grüße
Rosi
Trude sagt:
Ein schrecklicher Tag für die Menschheit.
Auch ich was schwer erschüttert und weiß noch genau was ich an diesem Tag getan habe.