Seit fünf Uhr bin ich wach. Seit ich mir heute Morgen den Kaffee ins Bett gekippt habe, bin ich aus dem Bett. Und schon eine ganze Weile schleiche ich um den PC herum und möchte einen Beitrag schreiben. Allerdings fange ich etwas an und höre Minuten später damit auf. Es ist nicht stimmig, was ich schreiben will – für mich nicht stimmig. Ich habe übers Laub geschrieben, über den Herbst, übers altern, über das Alleinsein, über die angefangenen Scherenschnitte, übers Wäsche waschen und darüber, dass ich ein Sommerkleid einfärben möchte, damit ich es im Winter tragen kann.
Alles habe ich wieder gelöscht und dabei gedacht, dass es doch schön wäre auch im Leben ganz einfach die Löschtaste drücken zu können, um neu anzufangen …
Der Wilhelm sagt:
Und dann?
Möchtest Du alle schönen Erinnerungen missen, die Dein Leben bis heute ausgemacht haben?
Und alle Erfahrungen, aus denen Du etwas gelernt hast?
Möchtest Du darauf verzichten, allen Menschen begegnet zu sein, denen Du begegnet bist – auch denen, die Du geliebt hast und die Deine Liebe erwiderten?
Ich glaube, ich würde das für meinen Teil nicht wollen.
Selbst ein partielles Löschen nur der negativen Ereignisse nicht, weil auch die sich oft in der Folge zu etwas positiven gewandelt haben.
Ohne die Summe aller Erfahrungen und Ereignisse wäre mein Leben wohl anders verlaufen, aber ob es „besser“ gewesen wäre?
Da habe ich so meine Zweifel.
Christel sagt:
Da fällt mir etwas ein, was mir vor vielen Jahren einmal eine Frau sagte als sie mir von ihrer Scheidung berichtete und sagte hätte ich diesen Mann doch nie kennengelernt.
Da habe ich sie gefragt und deine Kinder die Aus dieser Ehe stammen?
Es gibt viele schwierige und schwere Zeiten in jedem Leben durch die wir leiden und lernen.
Schönes und Gutes können wir nur als solches erkennen weil wir auch Schweres erlebt haben.
Mit Löschung eines Lebensteils bin ich nicht einverstanden.
piri ulbrich sagt:
@ Der Wilhelm: Nein, ich will nicht missen – gar nichts, denn ich bin daraus geworden, die ich jetzt bin.
isa sagt:
Manches im Leben möchte man gern ungeschehen machen. Besonders dann, wenn man es seelisch nicht aufarbeiten und integrieren konnte. Dann schwurbelt es immerzu in einem herum und trickert bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Gerade im Altern kann das Abschließen von alten Seelenqualen eine wichtige Aufgabe werden.
piri ulbrich sagt:
Ja, manches muss man einfach angucken und entweder verarbeiten oder ganz weit weg schieben.
Der Emil sagt:
Die Sache mit dem Schreiben kenne ich auch so, aber bei mir bleibt eben alles in den Kladden stehen, aus denen reiße ich keine Seiten heraus. Aber Deine Themen nehme ich mir jetzt mal mit, vielleicht landen sie ja irgendwo bei mir …
Den Löschknopf fürs Leben hatte ich mir auch schonmal gewünscht, aber – den Gedanken weitergedacht – ganz schnell wieder verworfen.
Reiner sagt:
Mir würde etwas fehlen, soviel ist sicher. Nicht zuletzt die schmerzvollen Erfahrungen haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.
piri ulbrich sagt:
@ alle: lest den nächsten Beitrag!