Behinderung, Gedanken, Kuddelmuddel

Stress

Die Maler sind da, streichen die Hausfassade und machen ganz einfach ihre Arbeit. 
Ich bin innerlich am Beben. Mich stresst allein die Anwesenheit. Ich kann mich in meinem eigenen Umfeld nicht frei bewegen, ich fühle mich beobachtet – nein, das tun sie nicht. Dazu haben sie gar keine Zeit, sie schaffen (wie man im Schwabenland so sagt). Mir macht ihr Dasein körperliche Symptome. Ich werde unruhig, bekomme hohen Puls, knibbele an meiner Nagelhaut herum und schramme haarscharf an einer Panikattacke vorbei. Allein weil andere fremde Menschen mir vermeintlich zu nahe kommen.

Ein typisches (ist es das?) autistisches Problem. Ein wahrliches Schietproblem. Ich kann’s benennen und nicht abstellen. Ich bin in Habachtstellung, bis sie wieder weg sind, kann/werde ich mich in meinen eigenen vier Wänden nicht ungezwungen verhalten. Ojemine, wie ich das manchmal hasse. Rein kognitiv weiß ich, dass keine Gefahr lauert. Emotional stehe ich hochgradig unter Strom!

Alltag, Behinderung

soll ich jetzt erst einmal die Einkäufe

… reinholen oder lieber Pause machen?

Pause ist gut. Bevor wieder jemand was von mir will oder ich noch mal los muss, um die Einweisung ins Krankenhaus zu organisieren und abzuholen. Im Dorf wird gebaut, Straßen werden aufgerissen und g‘schwind zur Apotheke gestaltet sich als kleine Odyssee. Zum Glück haben die Junioren kleine Rollstühle, sind ja auch kleine Menschen, werden aber auch so gesehen und das mögen sie nicht. Denn sie sind erwachsene kleine Menschen!

Uuups, was hat das jetzt mit den Einkäufen zu tun, die noch im Auto sind? Nicht viel. Wenn meine Kinder nicht behindert wären, würden sie nicht mehr hier wohnen oder sie würden mir die Einkäufe ins Haus tragen, sodass ich das nicht machen müsste. Dann würde sich mir die Frage nicht stellen, dann würde ich pfeifen und sie springen. Hab ich nie machen können, hab immer selber laufen müssen. Gerade heute würde ich es gerne mal nicht machen wollen.

Erst mal Pause – wird nichts schlecht im Auto. Irgendwann kommt’s schon ins Haus. Macht ja kein anderer!

12:47 Uhr – Heute scheint der Tag der frustrierten Mütter von behinderten Kindern zu sein. Nicht nur 2 Blogartikel in diversen Blogs (mag nicht verlinken), sondern auch in Messenger-Chatgruppen. Besonders von jüngeren Müttern, die eine gute Berufsausbildung haben, aber nicht arbeiten können, weil Betreuungsplätze für ihre Angehörigen fehlen. Zum Schluss meiner beruflichen Laufbahn habe ich nachts Grafiken gestaltet, habe nachts Anzeigen zusammengeschustert und Layouts erstellt. Damals war ich fast weniger erschöpft als heute. Ich war auch jünger, aber vor allem hatte ich Kontakte – das darf man nicht vernachlässigen.

18:04 Uhr – … und schon wieder gelte ich als arrogant und überheblich. Weil ich nicht an den Worten der charismatischen Person hänge, deren Spiel ich nicht mitmache. „Die muss immer was Besonderes sein.“, heißt es auch hier in der Straße.

Behinderung

behindert – noch mal

Schon komisch, wie manche Menschen das Wort behindert vermeiden. Aus Scheu, etwas Falsches zu sagen. Der Gefäßchirurg, ich muss noch mal nachgucken, schreibt in seinem Arztbrief über das Töchting: „Auf Grund ihrer Grunderkrankung …“ Nein, Wiebke hat keine Grunderkrankung. Meine Tochter ist behindert! Okay, sie ist anders und hat zudem diese dicken Beine. Sie hat keine Behinderung. Sie hat einen Rollstuhl. Sie trägt eine Brille. Sie braucht eine Menge Hilfe. Aber wenn es weniger Treppen gäbe … Ja, dann wäre sie immer noch behindert, weil sie zu der körperlichen Beeinträchtigung auch noch eine kognitive hat. 

Erst letztens habe ich mich selbst als behindert bezeichnet und die anderen wollten mich beruhigen, dass ich doch nicht behindert sei. Da habe ich gesagt, dass ich sehr wohl im Alltag durch meine Störungen behindert bin, auch wenn es unsichtbar ist! Die Menschen waren einigermaßen entsetzt, dass das eine Selbstbezeichnung sein kann. Auch dass es unsichtbare Behinderungen gibt, die behindern, musste ihnen erst ins Bewusstsein gebracht werden.