Behinderung, Gedanken

ich hab‘s verkackt

Hab ich es verkackt? Oder waren das die Umstände? Oder was?

Gestern Abend war ich sehr aufgewühlt. Wir waren mit einer unerfahrenen Helferin auf einem Akkordeon-Konzert. Es war virtuos! Doch vorher und danach haben beide Junioren gezickt ohne Ende. Ich konnte mich weder um meine Kinder noch um die Helferin noch um mich kümmern.

Ich war wieder einmal viel zu ehrlich und zu offensiv und weiß doch genau, dass ich manche Menschen damit hoffnungslos überfordere. Gehakt hat es, weil ich verboten hatte, Lego mit zum Konzert zu nehmen. Carsten meinte, ich wäre ein Tyrann und autoritärer Oberbestimmer! Es gab Stress ohne Ende. Der Kerle zerriss sein Perlenarmband, schmiss seine Uhr weg und wollte die Brille verbiegen. Das Töchting fing aus Solidarität an zu schreien und warf alles, was ihr in die Finger kam, irgendwohin – egal wohin. Hauptsache weg!

Die neue Helferin stand da und wusste nicht, was sie machen sollte. Ich konnte niemandem gerecht werden. Meinen Kindern nicht und der Frau nicht. So zwischen all den Stühlen zu sitzen, das wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht.

Während des Konzerts beruhigte sich die Situation wieder. Carsten hat dirigiert und Wiebke saß da und schaute den Künstlern auf die flinken Finger. Der Weg nach Haus war okay. Aber daheim war das Töchting völlig überfordert. Ich ehrlich auch. Reizüberflutungen allenthalben. Die Situation eskalierte und die wundervolle, nette, verständnisvolle Frau wurde zunehmend stiller und unruhiger. Am Schluss habe ich geweint – auch weil ich selbst völlig überfordert war und alle anderen ebenfalls überfordert hatte.

Obendrein habe ich ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weil es nur Verlierer in diesem Spiel gab!

Alltag, Behinderung

Steine

Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.

Sicherlich kann man das. Aber es haben sich im Laufe der Jahre, nicht nur bei mir, so viele Steine angesammelt, dass ich den starken Drang habe, diese Steine nach denjenigen zu werfen, die sie mir ständig in den Weg legen. Und mitunter sind diese Steine derart schwer und groß, dass man sie nicht einmal mehr anheben kann, um sie denen an den Kopf zu werfen, die es verdient haben.

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 Und trotzdem! – Eine „Lange Nacht“ über Zuversicht.

Behinderung, Gedanken

Ja, man kann

Man kann seine Worte immer anders wählen […]

Sicherlich kann man das. Vielleicht können das sogar sehr viele Menschen. Ich kann es nicht – und will es auch nicht mehr! Ich bin inzwischen so alt geworden und habe immer gehört: du bist ruppig, du bist unhöflich, du bist nicht sensibel genug, du bist zu direkt, du stößt andere Menschen vor den Kopf, Ehrlichkeit kann man auch netter verpacken, sei nicht so impulsiv! etc. pp. Ich bin’s leid mich zu verstellen! 

Wisst ihr was Masking ist? (Nur der Wikipedia-Beitrag – wenn ihr mehr wissen wollt, es gibt im www sehr gute Artikel, die das länger und ausführlicher erklären.) Es ist verdammt anstrengend. Diese Kraft will und kann ich nicht mehr vollumfänglich aufbringen. Ich möchte einmal ich sein. Komplett ich! Mag mich nicht mehr selbst zurechtbiegen* (siehe Nachtrag), und dass ich mich zurechtgebogen habe – immer und immer wieder – das habe ich hier im Blog oft genug geschrieben. Ich bin ein unbequemer Geist. Sehr gerne sogar und an den Konsequenzen trage ich schwer.

Selfcare ist ein neues Zauberwort, aber Selfcare ist kein Ersatz für gerechtere Strukturen. Mir zu sagen, ich solle einfach „besser auf mich achten“, ist bequem und das empfinde ich als übergriffig und möchte das auch sagen dürfen, ohne dafür gerügt zu werden.

  Wie komme ich jetzt auf Selfcare? Vom Hündchen aufs Stöckchen? Mir ging es im letzten Beitrag darum, aufzuzeigen, dass es um echte Entlastung geht, die ich nicht habe. Nicht um ein Entspannungsbad! Eine andere Mutter schrieb: Ja und in der Badewanne kickt dann der mental load erst so richtig 😂 dann will man am liebsten 5x rausspringen um „kurz was zu machen“ weil es einem in der Ruhe eingefallen ist…

Ich möchte offen sagen dürfen, dass manches Scheiße ist, dass mich das System nervt, dass behinderte Menschen – und ich werde mit meinem Autismus auch behindert wenn es heißt: Dann reiß dich doch mal zusammen!, wenn ich schon am Anschlag stehe und kurz vor dem Shutdown bin. 

19:23 Uhr– mag mich nicht mehr selbst gasligthen (finde grad meine Wortschöpfung, weil mir kein anderes Verb eingefallen ist, grandios!)

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Ehe ich mich jetzt völlig in Rage schreibe und Leser*innen beleidigt wegbleiben, höre ich auf.