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verlottert glücklich

„Du Mama, ich bin so froh wieder Zuhause zu sein!“ Carsten sagt es und Wiebke strahlt nur wie ein Honigkuchenpferd. Beide Junioren sind happy. Beide Junioren sehen etwas derangiert aus. Wiebke hat knallrote – leicht abgeblätterte – spitze lange Krallen. Um mich ein bisschen aus der Reserve zu locken kratzt sie mit den Fingern über die Terassentischdecke – das Geräusch dringt durch Mark und Bein. Mein Töchting hält mir ihre Hände hin und fordert eine Maniküre ein.

Morgen!

Morgen werde ich auch den Hilfsbeatles rasieren, barbieren  und frisieren: „Aber bitte lass das Deckhaar lang. Die Rotzbremse, ich weiß du magst sie nicht, kannst du meinetwegen glattmachen!“ Aus dem Off kommt eine weibliche Stimme: „Wird auch Zeit, dass dieser Schmutzfänger weg kommt!“ An Carsten gewannt predigt sie: „Du siehst wie ein Penner aus!“ Das lässt der Kerle nicht gelten: „Mein neuer Freund hat auch nen Bart und der ist der Gruppenleiter!“ Ich habe den neuen Freund nicht gesehen, nur desöfteren am Telefon gesprochen, der Mann ist sehr nett und hat Sinn für Humor.

Morgen bekommt der Kerle auch seine Königsberger Klopse. Morgen haben sich die Junioren hoffentlich ausgequasselt und mein Loch im Bauch, von den vielen Fragen ist zugewachsen. Morgen kommt die Haushaltshilfe wieder und morgen beginnt unser Alltag wieder. Zwar ganz anders, als im Januar und ohne Werkstatt. Wir müssen uns eine Struktur schaffen – heute nicht mehr, morgen machen wir das. Morgen gucken wir mal – heute stecke ich die Herrschaften gleich ins Bett und werde auch danach sofort ins meins verschwinden.

Hoffentlich darf ich das

»Take it easy!«
Tehk it ih-si, sagen sie dir. Noch dazu auf englisch. „Nimm’s auf die leichte Schulter!“ Doch, du hast zwei. Nimm’s auf die leichte. Ich folgte diesem populären Humanitären Imperativ. Und wurde schief. Weil es die andre Schulter Auch noch gibt. Man muß sich also leider doch bequemen, Es manchmal auf die schwerere zu nehmen. Mascha Kaléko aus: In meinen Träumen läutet es Sturm ∙∙∙∙∙·▫▫▫▫ᵒᵒᵒᴼᴼ ᴼᴼᵒᵒᵒ▫▫▫▫∙∙∙∙∙· Die Nachlassverwalterin der Dichterin ist sehr streng und rügt regelmäßig die Veröffentlichung der Gedichte von Mascha Kaléko auf privaten Internetseiten. Aber noch etwas anderes treibt mich um! Darf ich mich nach Freunden sehnen? Nach Menschen, mit denen ich schwere Gedanken teilen kann? Aber mit denen ich auch herumblödeln mag und die mir von Zeit zu Zeit sagen, dass fünf und sechs nicht sieben sind! ∙∙∙∙∙·▫▫▫▫ᵒᵒᵒᴼᴼ ᴼᴼᵒᵒᵒ▫▫▫▫∙∙∙∙∙· Morgen um diese Zeit …

noch zweimal schlafen

So aufgeregt, wie ein kleines Kind, bin ich. Meine Bauchschmerzen sind gigantisch – vor Angst etwas falsch zu machen, vor Sorge den Junioren und ihren Bedürfnissen nicht gerecht werden zu können.

Heute morgen bei meiner Schleichrunde – ich habe sie abgekürzt, weil es mir zu anstrengend war, jedes dieser Pferde schon gesehen zu haben, jedes Weinberghäusle steht noch immer da, wo es schon immer stand und jeder Weg endet irgendwo, wo ich am Anfang schon weiß, wo das ist – diese Runde wollte ich nicht zu Ende laufen. Quer durch die Rebanlagen bin ich fast rennend nach Hause und musste dort erst einmal ein Gläschen Kernerschorle auf ex trinken. Es wird Zeit, dass ich mal woanders hinkomme! Nichts Neues sehen ist anstrengend! Aber wenn was fehlt, dann ist das auch nicht gut: Mein Gartennachbar, der mir den Rasen die Wiese mäht, hat die Gänseblümchen gleich mit platt gemacht. Tja – nix ist mir recht!

Der Garten überhaupt – viel zu trocken, alles dürstet und mein Staudengarten verkümmert. Nur die Beikräuter wachsen. Beikräuter, ein anderer Name für Unkraut. Was soll ich mit Giersch? Bis vor ein paar Wochen wusste ich noch nicht einmal, wie Giersch aussieht…

Noch zweimal schlafen! Kann man das Wochenende nicht einfach überspringen? „Du Mama,“ hat Carsten am Telefon gesagt, „ich gehe jetzt ins Bett und dann schlafe ich ganz lange und dann ist Montag, nichwa?“ Welcher Teufel hat mich geritten, mich darauf einzulassen, die Junioren an einem Montag abholen zu sollen? Hätte das nicht auch ein Samstag sein können? Vielleicht hätte ich dann jetzt schon keine Bauchschmerzen mehr! Okay, so what! Ach – der Kerle will Königsberger Klopse essen. Carsten wünscht sich was zu essen! Was ist das denn? Was ist mit dem geschehen? Na, da bin ich aber gespannt, ob er sie wirklich isst! Aber erst am Dienstag – denn Hackfleisch ist ja bekanntlich sehr verderblich …

Mein Kuddelmuddel ist das nicht, ich schnapp mir jetzt mein Buch – ein altes aus dem reichbestückten Bücherregal, ein, von ganz hinten und eins, das ich, glaube ich wenigstens, noch nie gelesen habe Toscana Mia von Robert Gernhardt. Ich freu mich drauf! Noch zweimal schlafen und dann darf ich wieder vorlesen …

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