Gedicht

Hausspruch

In meinem Haus
da wohne ich,
da schlafe ich,
da esse ich,
und wenn du willst,
dann öffne ich
die Tür
und lass‘ dich ein.

In meinem Haus
da lache ich,
da weine ich,
da träume ich,
und wenn ich will,
dann schließe ich
die Tür
und bin allein.

© Gina Ruck-Pauquet

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Jetzt, im Moment, würde ich gerne jemanden hineinlassen, zum miteinander reden und schweigen!

Gedicht

Herbstabend

Nun gönnt sich das Jahr eine Pause.
Der goldne September entwich.
Geblieben im herbstlichen Hause
Sind nur meine Schwermut und ich.
 
Verlassen stehn Wiese und Weiher,
Es schimmert kein Segel am See.
Am Himmel nur Wildgans und Geier
Verkünden den kommenden Schnee.
 
Schon rüttelt der Wind an der Scheune.
Im Dunkel ein Nachtkäuzchen schreit.
Ich sitze alleine beim Weine
Und vertreib mir die Jahreszeit…
 
Im Gasthaus verlischt eine Kerze.
Verspätet spielt ein Klavier.
– Dem ist auch recht bange ums Herze.
Adagio in Moll – so wie mir.
 
Der Abend ist voller Gespenster,
Es poltert und knackt im Kamin.
Ich schließe die Läden am Fenster
Und nehme die Schlafmedizin.

Mascha Kaléko

Gedicht

kennt ihr das?

Die Schale der Liebe

Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter…

Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird zur See. Die Schale schämt sich nicht, nicht überströmender zu sein als die Quelle…

Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du nämlich mit dir selbst schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle, wenn nicht, schone dich.

Bernhard von Clairvaux