Lilli umarmt

Ja, ich weiß, man darf das nicht! Aber mir war danach. Sogar sehr! Die alte Frau lebt alleine und sie sah so traurig aus.

Ganz abgemagert ist sie – ob sie wohl genug isst? Gürtelrose hat sie – seit nun fast 6 Monaten – und diese will oder kann nicht abheilen. Die Nervenschmerzen sind, so sagt Lilli, zum Heulen schlimm. Lllli ist inzwischen 85 Jahre alt und hat zum Glück jemanden, der für sie einkauft. Aber ihren Garten bewirtschaftet sie immer noch alleine: „Keiner kann das so wie ich!“ Da ist sie eigen. Ihre Rabatten stehen wie eine eins und die Schnüre hängen fein säuberlich zusammengebunden am Schuppen. Lilli trägt nie Kittelschürze, aber heute hatte sie so etwas ähnliches an. Oder sieht es nur so aus, weil sie so schmal geworden ist und die geblümte Schürze mit Latz nun fast um den Körper zu wickeln ist?

Sie sah so verlassen aus – heute – unsere Lllli, die uns im Herbst mit Äpfeln versorgt und im Advent immer eine Tüte vielerlei Brödle geschenkt hat. Ich musste sie einfach in den Arm nehmen. Auch wenn man das nicht sollte. Es hat nicht nur Lilli gut getan …

Kategorien: Kuddelmuddel

13 Kommentare

  1. Man hält’s nicht aus, so die ganze Zeit ohne Umärmelung, nicht wahr? Noch dazu, wenn das Gegenüber sie auch so gut brauchen kann und mehr sagt als alle Worte!
    Hast Du gut gemacht, finde ich.

  2. Deine Lilli erinnert mich an unsere Helga, die ja nun irgendwo im Äther Igor Levit lauscht (und sich gefreut hätte, dass er letztens aus der Philamonie in Essen gestreamt hat – ich war so kurz davor, den Laptop an die Wand zu stellen…). Von Helga haben wir oft einen Teller Bratkartoffeln für einen der Assistenten bekommen oder wenn irgendwelche Feiertage waren hinterher die ganzen Süßigkeiten, die man bei ihr abgeladen hatte, sie aber nicht alleine aufessen konnte.

    Was ist Brödle? Ist das so was wie Printen? Was anderes kann ich mir nicht darunter vorstellen

    • Brödle sind Weihnachtsplätzchen – ganz einfach und doch sehr variantenreich. Lilli hat mindestens 15 Sorten gebacken.

      • Ah, okay, danke für’s Erklären. Das kenn ich auch. Bei meinen Großeltern mütterlicherseits gab es, wenn wir denn gerade zur Weihnachtszeit dort waren, immer so Papiergeschenktüten für uns mit Apfelsinen und ganz vielen verschiedenen Plätzchen. Kann sein, dass meine Großtante mütterlicherseits die gebacken hatte (meine Großmutter backte nicht), jedenfalls war das alles Selbstgebackenes in verschiedenen Arten. Ich habe immer ganz viel gehabt, weil mein Bruder keine Plätzchen mochte, die es bei uns zu Hause nicht auch gegeben hat und ich dann seine Tüte auch noch bekommen habe, weil meine Eltern das auch nicht gegessen haben. Mein Bruder war so Kenn ich nicht, ess ich nicht und meine Eltern wollten bloß den abgestandenen gekauften Kram. Die wussten alle nicht was gut ist…

  3. Eine sehr schöne Geste. Und gerade in dieser Zeit mehr wert als 1000 Worte!

  4. Da hast Du meiner Meinung nach vollkommen richtig gehandelt. Es gibt auch so etwas wie seelische Gesundheit, die wir nicht verlieren dürfen.
    Ich hätte in ähnlicher Situation vermutlich genauso gehandelt (wenn ich nicht grundsätzlich ein Problem damit hätte, andere Leute zu umarmen oder umarmt zu werden). Aber ich suche und finde dann meist andere Gesten der Zwischen- und Mitmenschlichkeit.

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