Zeit

    Ich muß endlich begreifen
    daß ich Zeit habe.
    Zeit für den Vogel auf der Brüstung
    der mit mir redet, im Auftrag.
    Zeit für den Lampenfuß
    in dem sich das Erdenlicht spiegelt.
    Zeit für die Katze auf blauem Samt
    in kleinstem Format an der Wand
    von Almut gemalt, als beide noch lebten.
    Auch für das Schaf mit den schwarzen Ohren
    den schielenden Augen, dem schiefen Maul und dem
    durstigen Mund. Indianisch, ganz einfach, instruktiv.
    Vermissen werde ich’s im kommenden Jahrhundert.
    Ich habe noch nicht ein stillschweigendes Wort
    mit der getrockneten Rose gewechselt, woher und wohin denn.
    Und das Kalenderbuch in schwarzem Leder
    mit der goldenen Jahreszahl
    klafft elegant auseinander, um mich ein- und auszulassen.
    Lernen, Zeit zu haben.
    Lernen, daß es zu spät ist.

    Elisabeth Borchers

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Unruhig bin ich, so sehr, dass ich knirschend meine Arbeit mache. Jetzt bin ich zerknirscht – habe mir einen Schneidezahn zerbröselt durch mein ständiges zusammenpressen. Das, was momentan um mich herum passiert, mit uns geschieht, dass sich Menschen melden, die mir weh getan haben und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll – das macht mich kirre. Bringt mich aus dem, sowieso schon schwankenden, Gleichgewicht. Einfach so tun als sei nichts vorgefallen kann ich nicht, aber nachtragend mag ich auch nicht sein – ich befürworte eine langsame vorsichtige Wiederannäherung. Von mir wird keiner erwarten, dass ich gleich allen wieder um den Hals falle. Meine Stacheln sind ausgefahren, auch deswegen, um den Abstand zu halten, den ich notwendigerweise noch brauche.

Morgen lasse ich mir mein Äußeres richten (beim Zahnarzt) – die innere Ordnung wieder herzustellen, dauert länger …

Kategorien: Gedicht

4 Kommentare

  1. Oh je, was für eine innere Aufruhr…
    Hoffe, du findest wenigstens nachts ein bisschen Ruhe…
    Denke daran, du musst gar nix. Was die anderen erwarten ist deren Sache.

    • piri ulbrich

      7. Mai 2019 18:35 — 18:35

      zum Glück muss ich nicht und was andere für Erwartungen haben, das sind ihre, nicht meine – aber ich habe ja auch welche! :whistle:

  2. Menschen, die einem weh getan haben, müssen zumindest einsehen, dass sie es getan haben, zeigen, dass es ihnen Leid tut und sich dafür entschuldigen. Dann kann man sich überlegen, ob man ihnen verzeihen kann. Sonst macht eine neue Annäherung keinen Sinn, weil etwas faul ist!

    • piri ulbrich

      7. Mai 2019 20:46 — 20:46

      Wie schon geschrieben – langsam, vorsichtig, ein bisschen mit Argwohn und ganz bestimmt nicht gleich Friede Freude Eierkuchen. Die Reue muss echt sein und sich beweisen!

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