Ein Tag vor dem 99. Geburtstag meines Vaters – Muttertag. Oft hatte er am Muttertag Geburtstag und selten hat ihm das was ausgemacht. Er vergötterte seine Mutter. Sie war aber auch eine wunderbare Frau. Ihr Sohn war ein wunderbarer Mann, ein bisschen größenwahnsinnig vielleicht, aber herzensgut. Er liebte seine Frau, meine Mutter und als Muttertag, Geburtstag und meine Konfirmation auf denselben Tag fiel, hatte meine Mutter das Sagen. Sie inszenierte diesen Tag und das sehr prachtvoll mit dem schönsten Kleid für die Konfirmandin und einem Essen, nachdem sich alle die Finger leckten.
Nur die Musik hatte sie nicht im Griff, die wollte mein Vater organisieren – aber es war nicht ihre Musik – und so boykottierte sie diese so gut sie es konnte. Schmollend saß sie am Oberhaupt des Tisches, wenn sie nicht herumwuselte. Doch die Musik konnte sie nicht beeinflussen, es wurden die Schlager der Saison gesungen: Mendocino (schreibt man das so?) – ein Lied mit M! Stadt, Land, Fluss haben wir gespielt! Mit dem höherwerdenden Alkoholkonsum stieg die Stimmung. Der Mann meiner Cousine war blau wie eine Haubitze (darf man nicht sagen, ich weiß), aber er war total besoffen und Muttertag und Konfirmation waren perdu – es wurde fröhlich Geburtstag gefeiert und mein Vater hatte sich endlich einmal von seiner Frau emanzipiert!