Allgemein

Vorsichtig behandeln

Es ist der falsche Titel. Aber auch das ist mir völlig egal. Heute bin ich barsch und sehr sensibel zugleich. Ich renne, renne seit Stunden wieder in Gedanken auf einem tristen Flur vor der ITS auf und ab. Renne im Kreis, drehe 8ten und laufe auf und ab.

Es ist schon lange her, da habe ich das an einem 17. November gemacht. Alles ohne Tränen. Nur mit Bangen. Ohne zu wissen, was mit meinem Mann hinter den Türen passiert. Seit Stunden weiß ich nichts. MamS ist im Haus meiner Mutter kollabiert. Ganz langsam, eigentlich sogar sehr vorsichtig ist der Krankenwagen aus der Straße weggefahren und nachdem ich mich mitten in der Nacht angezogen, endlich einen Parkplatz vor dem Krankenhaus gefunden und den Weg zur Intensivstation fand, seitdem hatte ich mit niemanden gesprochen. Niemand hat mir gesagt, wie es meinem Mann geht. Niemand wusste etwas und ich hatte keinen Platz. Nur den grauen Flur, auf dem nicht einmal ein Stuhl stand.

Ob ich mich hingesetzt hätte? Ich weiß es nicht. Ich wollte wissen, wollte wissen, was mit meinem Mann ist! Und kein Mensch war da. Zumindest ist das Licht nicht ausgegangen. Oder es konnte gar nicht ausgehen, weil ich den Bewegungsmelder in Trab hielt. Ich rannte. Rannte (nagelt mich nicht fest) 25m in die eine Richtung und 25m in die andere Richtung – und genau das tue ich in der Nacht zum 17. November jedes Jahr.

Es ist kurz nach halb sechs. Damals hatte ich die Schwester meines Mannes angerufen. Sie kam fast gleichzeitig mit dem Arzt, der mir endlich sagte, dass MamS in die Herzklinik zur OP gebracht wird, da das Aortenaneurysma geplatzt ist und sie (die Ärzte) das in dieser Klinik nicht operieren können. Ich fing wieder an zu laufen. Tonlos. Ich musste kotzen und muss es jetzt im Moment auch.

Die Schwägerin ist dem Rettungswagen hinterhergefahren. Ich musste zu den Junioren, weil meine Mutter sie nicht versorgen konnte. Tränenlos bin ich in mein Elternhaus, habe die Junioren angezogen und wir haben gewartet.

17. November | vormittags

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Ich renne, renne seit Stunden und mir ist kotzübel…

Gedanken

im Sommer sterben

Egal, wie es dir geht, steh auf, zieh dich an und zeig dich!

Dieser Spruch steht in der Traueranzeige meiner Freundin. Erst noch lange miteinander telefoniert und dann bekam sie Bauchschmerzen, ging ins Krankenhaus und zwei Tage später war sie tot. Verdammtes Leben…

Behinderung, Gedicht

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Ein Kind stirbt
und die Welt geht unter
Es ist schwer im Mai zu sterben
wenn das Leben draußen erwacht

Niemand fragt danach
wenn ein Kopfgewitter beginnt
wenn‘s drunter und drüber geht
im Hirn des kleinen Menschen

Niemand fragt ob’s Frühling, Sommer, Herbst
oder Winter ist
Ein Äderchen platzt und der Wettlauf beginnt
nur gewinnen kannst du das fast nie

Ein Kind stirbt
der Himmel wird schwarz
Tulpenfelder werden grau
die Gänseblümchen schließen ihre Blüten

Windräder drehen, als wollten
sie abheben und in den Himmel fliegen
Es ist verdammt hart
den Eltern nicht helfen zu können

Gott beschütze…

© piri ulbrich

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Ein Kind aus einer Elterngruppe kleinwüchsiger Kinder wird gehen müssen. Mir geht’s schon nicht gut damit. Wie geht’s dann erst den Eltern, Geschwistern und Angehörigen – leider ist die Welt niemals gerecht!