Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

Luxusproblem, oder?

Für manch einen mag das ein Luxusproblem sein, aber ich bin mir nicht sicher, ob es das wirklich ist!

Denn, wenn ich mich in der Stadt umgucke und die Flaschensammler angucke, dann werde ich ganz schön demütig. Diejenigen, die mir aufgefallen sind, waren allesamt schon Rentner und können offensichtlich von ihrer mageren Rente nicht leben. Das zu sehen hat mir einen Stich versetzt und mein Problem, das ganz anders gelagert ist, wurde relativiert. Aber, so sagte meine Oma immer, man kann Äpfel und Birnen nicht miteinander vergleichen! Denn, wenn die Junioren nicht mehr daheim wohnen würden, dann hätte ich womöglich auch das Flaschensammelproblem, weil meine Rente ebenfalls sehr gering ist und wir uns dieses Leben, das wir führen, nur mit Hilfe des Pflegegeldes finanzieren können.

Genug der Vorrede! Tacheles! Ich wurde einmal wieder alleine gelassen. Die Heilpädagogin, die mich zum Gespräch begleiten wollte, ist nicht gekommen♦. Hat nicht abgesagt und auch keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Ich stand also relativ hilflos vor einer Aufgabe, der ich mich nicht gewachsen genug gefühlt hatte – denn ansonsten hätte ich mich nicht auf die Begleitung eingelassen und den Termin, besser vorbereitet, alleine gemeistert. So hatte ich mich verlassen und war verlassen!

Diese Kur, die ich eigentlich gar nicht möchte, aber eine Auszeit dringend brauche – diese Kur wird mich verdammt viel Geld kosten. Und Carsten und Wiebke im nächsten Jahr keine Freizeit bringen, weil nämlich das gesamte Geld, dass uns die Krankenkasse an Verhinderungspflege etc. pp. zur Verfügung stellt komplett für die Kurzzeitpflege draufgeht. Und es reicht noch nicht einmal – wir werden für die dreiwöchige Pflege (bei der nichts passiert, außer, dass die Junioren versorgt und gepflegt werden, eventuell ein bisschen beschäftigt), wir werden für diese Pflege auch noch zusätzlich Sozialleistungen beantragen müssen.

Diese drei Wochen am Anfang des Jahres werde ich in einer Kurklinik sein, die keine 80 km von Zuhause entfernt ist, eine Reha machen, die ich nicht unbedingt möchte und den Rest des Jahres keinen weiteren freien Tag haben. Der Gedanke daran lässt mich jetzt schon auf dem Zahnfleisch dahinkriechen. Wenn die Heilpädagogin dabei gewesen wäre, dann hätte diese mich, da sie die Verteilung der Gelder viel besser im Kopf hat als ich – sie hätte mir meine Angst vermutlich entkräften können. So stand ich ganz alleine da. Ich schaffe das nicht! Nur am Anfang des Jahres drei Wochen am Stück Juniorenfrei und der Rest des Jahres ohne Erholung. Ganz abgesehen davon, dass Carsten und Wiebke auch sehr gerne in Urlaub fahren möchten.

Verdammter Mist. Deutschland ist so ein reiches Land und ich habe den Sozialkassen so viel Geld gespart, weil meine Kinder bei mir daheim wohnen und nicht in einem Pflegeheim und dann wird so mit den Ressourcen der Pflegekräften umgegangen. Muss ich vom Stuhl fallen oder total entkräftet zusammen sinken, damit was passiert? Und glaubt mir, ich bin kein Einzelfall – es gibt noch so viele andere, denen es ähnlich ergeht!

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♦…um kurz vor 21:00 Uhr hat sie angerufen und sich entschuldigt. Es waren triftige Gründe – sie wird mir helfen!

Behinderung, Kuddelmuddel

mach was draus

  • aus den restlichen Tagen im alten Jahr
  • aus den Resten des Weihnachtsessen
  • aus dem Chaos in der Waschküche 
  • mit verschlafenen Junioren 
  • mit einem Knie, das langsam wieder stabil wird
  • ohne Mumm in den Knochen
  • mit etwas Fieber
  • für behinderte Menschen 
  • zwischen den Jahren
  • in den Ferien

Wenn manchmal manche Menschen doof drauf sind, dann denkt euch euer Teil, oder fragt nach, wenn ihr euch traut, warum sie so sind, wie sie sind und urteilt nicht vorschnell.

 Danke fürs lesen! 

Behinderung, Familie, Gedanken, Gedicht, Junioren, Kuddelmuddel

Jakob

Jakob war der Büffel seiner Herde.
Wenn er stampfte mit den Hufen,
Sprühte unter ihm die Erde.

Brüllend ließ er die gescheckten Brüder.
Rannte in den Urwald an die Flüsse,
Stillte dort das Blut der Affenbisse.

Durch die müden Schmerzen in den Knöcheln
Sank er vor dem Himmel fiebernd nieder,
Und sein Ochsgesicht erschuf das Lächeln.

Else Lasker Schüler

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Dieses Gedicht ist eines meiner Lieblingsgedichte – vielleicht, weil ich mich drin wieder finde?

Ich bin krank. Wir kommen also nicht raus. Die Junioren kommen nicht an die frische Luft. Inzwischen habe ich Fieber – nicht hoch, aber konstant. Zwei Menschen diskutieren mit mir über Essen und Trinken. Gemeinsam mit mir. Gegeneinander. Miteinander gegen mich …Carsten hat kognitiv abgebaut. Wiebke macht sich Sorgen. Aus Solidarität verweigert sie die Nahrungsaufnahme. Ich habe Panikattacken, denke, überlege, wie ich Flüssigkeit in diese beiden bekomme. Es geht, ich schaffe es. Es kostet Kraft, meine Kraft – die ich grad nicht wirklich habe – Fieber!

Normalität aufrechterhalten kostet Kraft. Die Angst versagt zu haben ist groß. Gutsle und Plätzchen oder Bratkartoffeln mit Speck, Rapunzelsalat und Eier vom Gretahuhn – nichts schmeckt oder animiert auch nur zu probieren. Essen ist ein Druckmittel – auf drei Seiten. Es ist sogar schon so, dass auch ich keine Lust mehr habe zu essen. Anscheinend stecken wir in einer Spirale gefangen.

Meine Angst ist eine große dunkle Wolke mit Krallenhänden, die ich nur durch einen Spielenachmittag im Griff habe – und dann kommt die Nacht!