Behinderung

ein Indianer kennt keinen Schmerz

Wiebke und Carsten müssen unters Messer – bei einer Zahnärztin, die ein unglaublich empathischer Mensch ist.

Warum ich überhaupt einen Zahnarzttermin vereinbart hatte, lag nur daran, dass Wiebke darauf drängte. Dabei ist beim Töchting gar nicht so viel zu machen. Klar, eine Behandlung geht bei ihr auch nur unter Narkose, aber viel wichtiger, ist die Sanierung des Mundraums bei Carsten. – Aber, er hat ja keine Schmerzen! Dabei müsste er, laut Zahnärztin, bei jedem Essen Schmerzen haben. So haben wir, ganz nebenbei, einen Grund für den Kerles Essenverweigerung gefunden.

Carsten ist komisch. Wenn ich ihn frage, oder jemand anderes fragt ihn, dann hat er nie Schmerzen – weder im Rücken, noch in den Knien, noch woanders. Ach, ich mache mir Vorwürfe. Warum habe ich dies Schauspiel nicht eher durchschaut.

Natürlich weiß ich, dass dies nicht essen können oder wollen, nicht nur ein Problem der Zähne ist. Aber zumindest haben wir jetzt einen Ansatzpunkt.

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Kampf – ich kann kämpfen, bin eine gute Kämpferin, komme mir aber immer öfter, wie Don Quijote vor. Ich weiß gar nicht mehr, an wie vielen Ecken und Enden ich kämpfe.

Carsten sündhaft teure Sitzschale passt nicht. Der Kerle isst nicht und die Ernährungsberatung der Krankenkasse hat nur blöde Vorschläge – und wenn ich denen sage, dass ich das alles schon ausprobiert habe, pampt die Frau mich an: „Warum wollen Sie dann Rat von uns, wenn Sie alles besser wissen?“ Die Dame hat Carsten noch nicht einmal gesehen und meint noch: „So schlimm wird’s ja schon nicht sein…!“ Mir scheint, sie hat bei den Zahlen, die ich ihr genannt habe, nicht richtig zugehört. Carsten hat überhaupt kein Fettgewebe mehr. Seine Knie sind geschwollen und rot, ebenso die Ellenbogen – denn die Körperhaltung außerhalb des Rollstuhls ist kniend mit den Ellbogen abstützend, damit er die Hände frei hat. So reibt Haut auf Knochen und nur durch konsequente Pflege hat er noch keinen Dekubitus. Wenn ich Carstens körperliche Verfassung sehe, muss ich oft schlucken, um nicht zu weinen. Er ist dürr und sieht aus wie ein Biafrakind. Entschuldigt – das ist jetzt wirklich keine Effekthascherei!

Dann hat Wiebke Bauchschmerzen und will offensichtlich nicht in die Lebenswerkstatt. Meiner Bitte um ein Gespräch mit den Mitarbeitern ist anscheinend in den weiten Welten der geschlossenen Ohren verhallt. Wiebke weint jeden morgen! Wenn ich Kommentare bekomme, dann freue ich mich sehr – viel mehr noch, als über Likes!