Bitte nicht erschrecken, denn ich habe mehr als eine Seite und manchmal hilft es über den Tellerrand zu gucken oder auch nur einen winzig kleinen Schritt zur Seite zu gehen, um etwas Verblüffendes zu entdecken. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sind schier unergründlich und dann tun sich Welten auf, von denen man lange dachte, dass sie unter Kleinteiligen verschüttet waren.
Seite 1096 von 1482
Sonntagsmorgen
Heute Morgen habe ich mir noch gedacht: Du musst! Aber ich muss gar nichts. Ich werde auch nichts müssen wollen. Heute möchte ich mich besuchen und hoffen, dass ich auch Zuhause bin. Wenn ich schon das Gefühl habe, dass sich niemand – was nicht stimmt – um mich kümmert und mir Aufmerksamkeit zollt, dann muss ich es selber machen.
Es ist Wirklichkeit, dass manche Menschen mehr strampeln müssen, um erkannt, gesehen zu werden. Dabei sind das nicht nur die leisen. Manch einer macht piep und wird gesehen, eine andere schreit und geht in der Menge unter, weil das Thema nicht das der Masse ist. Dabei ist es eine Variante, allerdings eine sehr spezielle. Eine Form von Einsamkeit!
Draußen regnet sich der November ein. In den Pfützen spritzt es und Laub klebt an den Rollireifen. Ich mag´s. Es sind schöne Farben, obwohl ich modisch gar kein Herbsttyp bin. Heute habe ich mich angetroffen – nur unterhalten mag ich mich mit mir grad nicht. Muss aber auch nicht sein.
Blablatage
Wie viel Blabla habe ich in den letzten Tagen gehört, aber auch wunderbare Gespräche geführt!
Nein, es gibt kein negatives Fazit zu ziehen, denn wo Licht ist – und sei es nur eine flackernde Kerze – wo Licht ist, ist auch Schatten. Diese Schattenspiele liebe ich. Da huscht hinter der rotgolden schimmernden Flamme ein Fabelwesen mit fünf Beinen hervor und stolpert nicht einmal dabei. Stattdessen zeigt es mit seinen zweieinhalb Fingern ein Herzchen und versucht mir einen gehauchten Kuss durch die Lüfte zu schicken. Tollpatschig, wie ich bin, stolpere ich über den Brödlebären, der mich betörend mit bunten Zuckerperlen angelockt hat. Den kleinen Fuchs, der sich beim backen eine scharfe Note an der Schwanzspitze eingefangen hat, tangiert das nicht: „Ihr müsst ja das Dunkle nicht essen. Macht sowieso nur schwarze Gedanken!“
Laubhügel habe ich zusammengerecht, der Nachbarsgärtner hat sie in die Tonne gekloppt. Die Igelfamilie, die geplätzchente, wandert morgen mit zum Basketball und die, die draußen vor der Tür wohnt, der werde ich ein heimliches Versteck bereiten, das der nette Mann von Nebenan auch als solches erkennen kann.
Heute war kein Blablatag, jedenfalls in der Wirklichkeit nicht. Morgen wird keiner sein. Für die kommende Nacht habe ich Opioide bereit – ich sollte endlich einmal wieder ohne Geisterschatten mich in Morpheus Armen wiegen – ob ich wohl heute mal die nächtliche Runde in die Juniorenzimmer auslasse?