Auch heute scheint die Sonne mir lachend ins Gesicht – vielleicht sollte ich einfach zurück lachen?! Ja, das habe ich dann auch am Morgen beschlossen. Davonlaufen kann ich sowieso nicht! Die wunderbare Hilfe – wir duzen uns jetzt – hat zu meiner Filzwolle von sich welche mitgebracht und Filznadeln. Ich habe noch nie mit Nadeln gefilzt. Nach dem köstlichen Spinat mit Pellkartoffeln und Spiegelei hat sie mich in das Geheimnis des Trockenfilzen eingeführt und zum Glück habe ich mit einem roten Ei angefangen – Blut ist auch rot und Filznadeln spitz und scharf und Daumen, besonders kortisongeschwächte Haut dünn, sie blutet gerade bei mir schnell. Aber ich habe es inzwischen raus, mehr als dreimal habe ich mich nicht getupft. Während S. einen Hasen und zwei weitere Eier gefilzt hat, hatte ich mein Osterei fertig, zweieinhalb Pflaster geklebt und einen Schmetterling angefangen – alles auf meiner sonnigschönen Terrasse.
Müde bin ich jetzt! Der Nachbargärtner mäht meine Wiese und ich habe mich aufs Sofa zurückgezogen und werde ne Runde pennen …
Was für ein Wetter? Will mich der Sonnentag veräppeln? Ich krieche die 13 Stufen hoch und bin so unzufrieden. Füße wie Blei – meine Güte, ich komme mir vor, wie im Hochland von Tibet. Corona ist mir völlig egal. Sicher erschüttern mich die Zahlen und beschäftigen mich die Ausgangssperren. Aber ich kann ja sowieso nicht! Bin ich wirklich noch so krank? Ich glaube es nicht – muss es aber glauben, dass ich so ausgebremst bin. An diesem herrlichen sonnigen Vorfrühlingssonntag…
Ist es Rücksichtnahme, dass ich keinen Besuch bekomme?
Ja, so muss ich es wohl sehen – Covid 19 nervt! Corona nervt! „Dein Imunsystem ist noch viel zu geschwächt, es ist dir nicht zuzumuten, dass du riskierst, dich anzustecken!“ Recht haben sie, aber mir fällt die Decke auf den Kopf. Ich kann ja auch nicht einfach rausgehen und durch die Weinberge spazieren. Ich komme ja noch nicht einmal bis zum Briefkasten, ohne Pause zu machen und die sechs Stufen ins Haus sind zweimal drei und ein paar andere Schritte … Ich bin schlapp und das macht mich so ungeduldig. Ich kann nicht und das macht mich richtig traurig, ja wütend – ich möchte und ich kann nicht.
Die Haushaltshilfe ist eine ganz tolle, ich mag sie sehr – aber ich kann so schlecht Hilfe annehmen. Heute Morgen habe ich Kaffee ausgekleckert, ich weiß noch nicht, wie ich es sagen soll, dass mich der nasse Fleck stört. Auch habe ich mein Handy und das Tablet im Schlafzimmer vergessen – selber holen würde ich das Zeug gerne, aber danach bin ich ich erst einmal eine halbe Stunde platt. Ich hadere mit mit mir, ich möchte weiter sein, körperlich fitter – auch geistig fitter. Dabei kann mein Kopf denken, nur umsetzen kann ich nichts. Dazu kommt die Langeweile. Lesen, sogar lesen ist anstrengend und essen – mein Müsli von heute Morgen steht hier noch und irgendwie macht es mich nicht an. Eine Tasse Kaffee – aber auch Tee schmeckt nicht und Saft oder gar Bier schmeckt egalweg bäh. Ja, ich weiß – das liegt an den Medikamenten und an meiner Ungeduld. Ich will schneller wieder gesund werden, aber mein Körper bremst mich so aus.
Freunde und Bekannte wollen mich schonen und kommen deswegen nicht zu Besuch. Die meiste Zeit bin ich allein. Okay, ich könnte schlafen. Aber das widerstrebt mir so. Ich könnte auch so viel anderes machen. Ein Gedicht aufschreiben, das im Hirn herumtanzt – nur wenn ich versuche es aufzuschreiben, sind die wunderbaren Worte weg und es klingt profan und abgedroschen …
Meine Aufgabe für heute wird sein, Rücksicht mit mir selbst zu üben!
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Hermann van Veen hat heute Geburtstag – er wird 75!