Behinderung, Gedanken

lügen

Wenn ich es gründlich überlege, dann komme ich manchmal dazu mir eingestehen zu müssen, dass ich mir selbst in die Täsch lüge. So sehr möchte ich glauben, dass genug Helfer*innen da sind. Es ist oft jemand da, aber manchmal möchten die Junioren etwas anderes machen – etwas, was nicht in drei Stunden passt. Ins Museum gehen, in ein Museum, das ein bisschen mehr erfordert, als nur Bilder angucken. Einen Ausflug machen, der nicht nur ein Spaziergang ist, der mich ein bisschen herausfordert und die Junioren auch. Immer zum gleichen See – das kann ich mit den Rollstühlen auch alleine. Ich möchte für die Junioren Helfer, die nicht nur Kleinkinderbilderbücher vorlesen und MenschÄrgereDichNicht spielen. Der Kerle braucht einen Mann an seiner Seite, jemanden mit dem er sich reiben kann! Wir brauchen Menschen, die mit uns essen und die Essenssituation aushalten. Wo ich nicht, um des lieben Friedens Willen meine Tochter in ihrem Zimmer essen lasse und dem Sohn zugestehe, mal wieder nichts zu essen.

Kompromisse machen, ist gut und schön. Sich dabei selbst zu verbiegen kontraproduktiv und macht auf die Dauer unglücklich. Doch wo bekomme ich diese Menschen her, die wir dringend brauchen? Zupackende, selbstständig denkende, fragende, emphatische, freundschaftliche, reflektierende, kritische Menschen! Es gibt sie ja – nur eben nicht dann, wenn wir sie brauchen! Bin ich jetzt zu wählerisch und anspruchsvoll?

Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

Langeweile

Schmuddelwetter am zweiten Weihnachtsfeiertag. Es regnet sich ein. Mir ist langweilig! Dabei hätte ich genug zu tun. Aufräumen, ein bisschen putzen – die Plätzchenkrümel und Schokoladensplitter – ich könnte auch einfach Wiederholungen im Fernseher angucken und diese neu entdecken. Aber ich lauere. Lauere darauf, dass mein Töchting ruft und aufs Klo will. Lauere, dass der Kerle vielleicht doch kotzt – er hat schon mehrmals besorgniserregend gehustet: „Mama nein, ich werde das nicht tun!“ Nur gewiss ist das nicht. Weiß ich, wie sein Magen reagiert. Er hat in letzter Zeit so viel gegessen, das ist verdächtig. Dünn und klein wird er bleiben, aber wenigstens stabil sollte das Gewicht sein! Wir haben keine Personenwaage, aber mehr als dreizehn Kilo bringt er sowieso nicht drauf. Es ist müßig sich übers Gewicht zu definieren!

Mir ist langweilig! Obwohl langweilig darf ich gar nicht sagen, ich habe genug zu tun. Nur das was ich gerne möchte, nämlich mich in mein Bett zu legen – mit einem Schmöker – das kann ich nicht. Hab immer ein Ohr und ein Auge bei den Junioren. Keiner, von denen, kann allein auf Klo oder sich was zu essen machen. Beide kommen nicht an den Kühlschrank, das Töchting vielleicht dann, wenn ich sie vorher auf den Rollstuhl gesetzt habe. Aber auch nur einen Kakao kann sie sich nicht selbst machen. Der Kerle würde auch auf dem Rolli sitzend, die Kühlschranktür nicht aufbekommen. Mir ist in soweit langweilig, dass mir eine Gesprächspartnerin fehlt. Es ist, bei allen Geräuschen, so still hier. Natürlich reden wir miteinander. Aber mir fehlt der Austausch auf Augenhöhe. Weihnachten gibts keine Helfer*innen, Weihnachten ist das Fest der Familien…

Heute Nachmittag gehen wir ins Kino!

Behinderung, Junioren

Käse

Deine Schwester hat ihren Käse aufgegeben, hast du deinen auch schon weggeputzt?
Nee, aber ich bin doch dabei!
Die Junioren haben eine Challenge: Wer als erste*r fertig ist mit Abendbrot! Wobei Brot sehr hochgegriffen ist, denn das haben beide unisono abgelehnt. Stattdessen gibts dreierlei Käse, Feigensenf und Birnenspalten – wenig Birne, quasi fast keine, lediglich eine Alibispalte. Das Töchting hat diese tapfer gleich am Anfang verdrückt. Regelrecht kleingedrückt – im süßen Senf! Des Kerles Birne liegt noch unangerührt auf dem Teller. Somit hat der Kerle gerade mit Pauken und Trompeten verloren. Denn auch die Käsewürfel werden und werden nicht mehr weniger…

Nachtrag 20:00 Uhr

Mit gründlichen Abstand hat der Kerle seinen Teller leer gemacht – auch die Birne ist weg!

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