Behinderung

eine Granate

Also nicht im militärischen Sinn, das liegt mir fern. Damit habe ich nichts am Hut, aber der Kerle ist eine – eine Granate, oder wie man im schwäbischen sagt: ein Käpsele!

Am Vormittag sollte bei ihm eine Bronchoskopie gemacht werden. Ich konnte ihn nicht begleiten, hatte selbst eine Untersuchung und Wiebke hätte auch die ganze Zeit nicht alleine bleiben können. „Ich mach das alleine, ist doch Pipikram, brauche doch nichts tun.“ Okay, alle waren einverstanden. Er kam und kam nicht wieder. Seine Schwester hat sich schon Sorgen gemacht und wurde unruhig. Wir haben gespielt, ich habe vorgelesen und der lange Stationsflur wurde Rennstrecke. 

Endlich! Endlich war der Bruder wieder da. Leicht derangiert, ein bisschen verquaddelt im Gesicht und nur in eine leichte Decke eingewickelt. Aber völlig aufgedreht und kaum war er im Zimmer sprudelte es aus ihm heraus. „Mama, das ist schief gelaufen. Es hat nicht geklappt. Die Ärztin hat das Bronchoskop nicht richtig in die Lunge gekriegt. Ich bin einfach zu verquer. Morgen versuchen sie es noch mal mit Narkose!“ Lang und breit hat er erzählt, dass sie alles versucht, das kleinste Teil genommen haben und dass das dann doch nicht richtig war. „Dann habe ich so husten müssen. Das war ganz doof!“

Im Schwesternzimmer wussten sie von nichts. „Es wird schon stattgefunden haben. Carsten scheint das nicht richtig realisiert haben.“

Gerade war die Stationsärztin hier und was denkt ihr, was sie gesagt hat? Genau! Exakt das, was der Kerle erzählt hat …

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Dieser kleine Mann ist einfach ein Phänomen.

Behinderung, Junioren

viel zu wenig

Noch haben wir kein Go. Heute kam der ersehnte Anruf nicht. Hoffentlich morgen früh, denn aus der Lebenswerkstatt kam eine bedrohliche Sprachnachricht, dass des Kerles Sauerstoffsättigung extrem niedrig sei. 

Erzählen mag ich nicht. Ihr werdet es verstehen. Ich packe Koffer fürs Krankenhaus …

Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren, Kuddelmuddel

Ungeduld

… oder nebenbei.

Bitte, kann das nicht alles ein wenig schneller gehen?

Die Waschmaschine ist zu langsam, ich muss noch die Betten beziehen und nach dem Handball – gehen wir überhaupt zum Handball?, es regnet doch in Strömen und sowieso haben wir keine Begleitung – also nach dem Spiel ist es zu spät dazu. Aber wenn die Kopfkissen noch nicht einmal gewaschen sind, wie sollen sie dann trocknen, wer soll sie in den Trockner stecken? Mich macht das hibbelig. Wir müssen zum Handball, Punkt. Denn, auch wenn wir heute Abend alleine gehen, könnte ich dort den Hallensprecher bitten, eine Suchdurchsage zu machen und eventuell meldet sich ja jemand der/die uns zu weiteren Spielen begleiten mag. 

Gegessen haben wir auch nichts. War noch keine Zeit was zu kochen. Beide Junioren haben gebadet und beide Betten musste ich auch heute abziehen. Manches kann ich nebenbei – bin große Meisterin darin, Dinge nebenbei zu machen. Kochen geht nicht. Hatte ich mal versucht, da gab es dann Kohle! Jetzt wollen die Herrschaften nichts essen und Bratwurst im Weck (heißt so im Schwabenländle) in der Halle können sie nicht beißen. Mistdilemma.

„Mama, wer spielt denn?“ „Carsten trink was!“ „Hab keinen Durst!“ „Wiebke trink was!“ „Kann ich nicht mehr.“, jammert sie. „Warum kann der H. nicht mehr mit zum Handball kommen?“ Carsten fragt das dritte mal. „Weil er alt und krank ist.“ „Wie alt ist der?“ „Über achtzig.“ „Das ist alt!“ So geht‘s die ganze Zeit. Nebenbei schiebe ich den Herschafften ein paar Kekse unter, bettele, dass sie wenigsten ein bisschen was trinken und vergesse selber mein Glas auch nur anzugucken.

Die Waschmaschine schleudert kurz – nur noch spülen, dauert ca. 45 Minuten und ich sitze auf heißen Kohlen. Das Töchting sagt, dass sie keinen Bock auf Handball hat. Der Kerle nöhlt: „Ich will aber!“ Nebenbei erzählt er mir, von den weitergehenden Kämpfen im Gazastreifen und von den Drohnen am Münchner Flughafen. Will ich nicht wissen und sag ihm das. Da hält er mir einen Vortrag, dass ich mich informieren und wissen muss, was in der Welt passiert. Nebenbei streikt mein Drucker. Nein, eigentlich der Drucker nicht, ich kann nur die Datei aus der Anwendung nicht direkt drucken und muss einen umständlichen Weg gehen. Wie funktioniert das noch mal? 

Ich bin eh so eine Paniktante. Wenn was nicht klappt, dann macht mir das Stress – kennt ihr ja auch schon, macht es nur nicht besser. Nebenbei schwebt das nasse Kopfkissen im Raum, der blaue Spannbezug, den Wiebke will, ist auch mit in der Waschmaschine. Die Zeit rast!

“Carsten trink was!“ Jaaaaaaa, mach ich doch!“ „Wiebke, hast du was getrunken?“ „Nee, Mama das mag ich nicht!“ „Was möchtest du stattdessen?“ „Weiß ich nicht.“

Warum geht das Leben eigentlich nur linear? Kann es nicht auch parallel passieren? Es würde mir so einiges erleichtern. Und ganz nebenbei wünsche ich mir noch ein paar Arme, einen Kopf in dem nicht ein Taubenschlag ist und ein Viertelstündchen R U H E!

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15:52 Uhr – „Wiebke magst du einen Milchreis essen?“ Ich habe einen einer bekannten Marke daheim, den ich eigentlich nie wieder kaufen wollte, weil der Inhaber des Ladens der blauen Partei nahe steht. „Nein!“ Ich kenne meine Tochter: „Soll ich ihn dir füttern?“ „ja!“ „Warum sagst du es denn nicht gleich.“ Verzweiflung macht sich breit.

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20:15 Uhr – habe fragen lassen. Leider keine Resonanz. Ich bin traurig.