Alltag, Behinderung

soll ich jetzt erst einmal die Einkäufe

… reinholen oder lieber Pause machen?

Pause ist gut. Bevor wieder jemand was von mir will oder ich noch mal los muss, um die Einweisung ins Krankenhaus zu organisieren und abzuholen. Im Dorf wird gebaut, Straßen werden aufgerissen und g‘schwind zur Apotheke gestaltet sich als kleine Odyssee. Zum Glück haben die Junioren kleine Rollstühle, sind ja auch kleine Menschen, werden aber auch so gesehen und das mögen sie nicht. Denn sie sind erwachsene kleine Menschen!

Uuups, was hat das jetzt mit den Einkäufen zu tun, die noch im Auto sind? Nicht viel. Wenn meine Kinder nicht behindert wären, würden sie nicht mehr hier wohnen oder sie würden mir die Einkäufe ins Haus tragen, sodass ich das nicht machen müsste. Dann würde sich mir die Frage nicht stellen, dann würde ich pfeifen und sie springen. Hab ich nie machen können, hab immer selber laufen müssen. Gerade heute würde ich es gerne mal nicht machen wollen.

Erst mal Pause – wird nichts schlecht im Auto. Irgendwann kommt’s schon ins Haus. Macht ja kein anderer!

12:47 Uhr – Heute scheint der Tag der frustrierten Mütter von behinderten Kindern zu sein. Nicht nur 2 Blogartikel in diversen Blogs (mag nicht verlinken), sondern auch in Messenger-Chatgruppen. Besonders von jüngeren Müttern, die eine gute Berufsausbildung haben, aber nicht arbeiten können, weil Betreuungsplätze für ihre Angehörigen fehlen. Zum Schluss meiner beruflichen Laufbahn habe ich nachts Grafiken gestaltet, habe nachts Anzeigen zusammengeschustert und Layouts erstellt. Damals war ich fast weniger erschöpft als heute. Ich war auch jünger, aber vor allem hatte ich Kontakte – das darf man nicht vernachlässigen.

18:04 Uhr – … und schon wieder gelte ich als arrogant und überheblich. Weil ich nicht an den Worten der charismatischen Person hänge, deren Spiel ich nicht mitmache. „Die muss immer was Besonderes sein.“, heißt es auch hier in der Straße.

Behinderung, Gedanken, Junioren

kein Geschichtenbuch

Dies Blog ist kein Geschichtenbuch, auch wenn ich es manchmal gerne hätte. Wie krieg ich jetzt den Dreh zu dem, was ich schreiben will? 

Ich hab’s so satt, immer stark zu sein, ich will es nicht mehr. Wenn ich es öffentlich oder auch nur im kleinen Raum sage, dann kommt der weise Rat: „Such dir doch Hilfe!“ Ja, wo denn noch? Wenn Fachärzte z. B. nicht wissen, wie sie mit Wiebkes dicken Beinen umgehen können. Keine Ahnung haben, was man machen kann, um des Töchtings Schmerzen zu lindern. Für sie ist nach der Konsultation der Fall erledigt. Wir müssen damit leben. Ich muss es aushalten, wenn Wiebke weint. Ich hab’s auch satt, Carsten immer wieder sagen zu müssen, dass er seine Filme nicht in voller Lautstärke hört. 10 Sekunden ist es leiser und dann wieder Getöse. Wegen einem Legoteil, das ihm fehlt, macht der Kerle ein Mordgeschrei, wenn aber sein Glas mit Cola auskippt, gibt es keinen Mucks. Der Regalboden aus Holz ist nass und was da passieren kann, interessiert ihn nicht die Bohne. „Mama, das ist doch nicht schlimm, kann man wieder putzen!“ Stimmt, aber er kann das nicht. Auch das T-Shirt mit Kakaoflecken von Wiebke – 2 Minuten bevor wir ins Sprechzimmer gehen, vollgekleckert – ist im Prinzip Pipifax. Wäscht die Waschmaschine, aber in dem Moment ist es mir peinlich.   Ermüdend ist es auch, immer wieder erinnert zu werden, dass ausschließlich ich gucken darf, dass beide – nein, eigentlich wir drei – genug trinken und der Kerle sondiert wird. „Sei doch froh, so hast du die Gewähr, dass er nicht verhungert.“ Ja, aber es nervt so manchen, dass wir, wenn wir tatsächlich mal miteinander essen gehen – was leider viel zu selten passiert (eben auch aus diesem Grund) – nur halbe Portionen bestellen möchten. Oft ist es dann so, dass ich nicht das bestelle, was ich will, damit Carsten oder Wiebke das essen können, was sie mögen. Dann soll ich doch nebenbei Verständnis haben für die, denen jemand ins Auto gefahren ist und das nun eine Schramme an der Tür hat. Auch wenn angekündigter Besuch kurzfristig abgesagt wurde, weil der Kurzurlaub am Meer reizvoller ist, als zu uns ins Dorf zu fahren – das müsste ich doch verstehen, oder?

Ach Schiete, es klingt schon wieder nach Jammern, Lamentieren und totalem Kuddelmuddel. Und die Adressaten erreicht dieser Blogbeitrag sowieso nicht.

Heute Nachmittag kommt eine tolle Frau. Wir fahren zum See. Ich bin sehr dankbar dafür – aber ich mag deren Hilfe nicht überstrapazieren und ganz ehrlich, im Vorfeld braucht dieser kleine Ausflug von meiner Seite eine Menge Vorbereitung.

13:50 Uhr – Nachtrag, ein kurzes Gespräch: „Du musst an Wunder glauben.“ „Ach?“ „Ja.“ „Selbst an kleine?“ „Klar doch.“

Behinderung, Gedanken, Kuddelmuddel

Frage

Wieder mal Pflege-von-Angehörigen-Gedöns. Müsst ihr nicht lesen – betrifft euch ja nicht. Oder doch?

Woran erkennst du, dass du erschöpft bist?

Nicht an Tränen. Nicht am lauten Schmerz. Sondern an diesen 3 leisen Anzeichen:

1. „Du funktionierst einfach.“ Aber wenn du genauer hinhörst, steckt dahinter: Ich fühle kaum noch etwas.

2. Auf die Frage „Was brauchst du gerade?“ kommt ein langes Schweigen. Nicht, weil du nichts sagen willst, sondern weil du es wirklich nicht weißt.

3. Du lächelst, während du vom Schmerz erzählst. Nicht, weil es leicht ist, sondern weil du gelernt hast, dass du nur geliebt wirst, wenn du nicht zur Last fällst. Erschöpfung zeigt sich oft nicht laut. Sondern still. Am leeren Blick. An müden Sätzen. An einem anwesenden Körper. Aber, da ist eine Seele, die längst auf dem Rückzug ist.

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