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zehn vor acht

Wenn so gar nichts passiert und die Luft draußen dick vom nächtlichen Regen ist, dann hängt die Trauer mir noch viel mehr im Nacken. Wenn dann noch der freche Specht, den ich nur verschwommen fotografieren konnte, gegen die große Scheibe fliegt, regungslos liegen bleibt und bloß in eine Zeitung gewickelt in der Biotonne beerdigt wird und kurze Zeit später ein kleiner Spatz zitternd, weil auch er diese blöde Scheibe übersehen hat, auf den Stufen sitzt, dann verfluche ich dieses Haus.

Aus den Juniorenzimmern kommt kein Mucks. Was gäbe ich drum, so schlafen zu können. Wenn der eine hustet und die andere singt, dann beginnt der Tag. „Du Mama, lass uns Mousse au Chocolat machen!“ Wiebke hat mich nur gehört, noch nicht einmal den Kopf gehoben und plant schon den Nachtisch! Ich gebe ihr einen Kakao, sie dreht sich zur Seite und schläft sofort wieder ein. Carsten trinkt ein Schlückchen Astronautenkost, lässt sich fallen und war eigentlich gar nicht richtig wach!

Ich will weg hier, will verreisen, will nicht einmal andere Länder sehen, nur woanders hin – hier passiert nichts! Halt, mein Töchting singt und der Kerle fährt schon wieder Rennen…

Friederike Mayröcker ist tot

was brauchst du

was brauchst du? einen Baum ein Haus zu
ermessen wie groß wie klein das Leben als Mensch
wie groß wie klein wenn du aufblickst zur Krone
dich verlierst in grüner üppiger Schönheit
wie groß wie klein bedenkst du wie kurz
dein Leben vergleichst du es mit dem Leben der Bäume
du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus
keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach
zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen
zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund
die Gestirne das Gras die Blume den Himmel

© Friederike Mayröcker für Heinz Lunzer

Erst letztens war sie noch im Gespräch für den Buchpreis der Leipziger Buchmesse, jetzt ist sie gestorben. Schade, ich hätte es ihr gegönnt 100 zu werden. Sie ist ein Vorbild für mich – und sicherlich noch für andere viel, viel mehr.

… wie kriege ich jetzt Ernst Jandl unter?

müde sein, gildet nicht

Es ist mehr wert, jederzeit die Achtung der Menschen zu haben, als gelegentlich ihre Bewunderung.

Jean-Jacques Rousseau

Gestern Abend bin ich sehr müde ins Bett gegangen, den ganzen Tag habe ich mit keinem Menschen, außer meinen Junioren, gesprochen. Aber müde sein ist uncool, das sind nur alte Leute und welche, die es sich leisten können. Das kann ich nicht. Ich möchte mal wieder richtig lesen, ohne dass mich jemand stört. Mein Töchting zum Beispiel, hat, wenn ich ein Buch in der Hand halte, oft Dinge zu erledigen, die unaufschiebbar sind. Aber auch wenn nichts ist, nichts getan werden muss, nichts geholt oder bespielt werden muss – auch dann sitze ich in Habachtstellung und harre der Dinge. So wie es eben Mütter mit kleinen Kindern immer machen…

… nur, dass meine Junioren halt nicht mehr klein sind!

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