Die Spannung ist abgefallen – ich bin viel unterwegs gewesen heute und werde es in den nächsten Tagen auch sein und das Leben genießen.
Typisch
Irgendwie ist es symptomatisch – ich bin krank, richtig krank. Mit Übelkeit, Fieber und allem Pipapo. Ich bin immer dann krank, wenn ich es mir leisten kann. Von meinem toten Mann kenne ich das auch. Druck fällt ab. Man kann sich gehen lassen, muss nicht mehr funktionieren. Die Junioren sind unterwegs und es geht ihnen gut – um sie brauche ich mich nicht zu kümmern. Ich muss nur für mich selbst sorgen und eigentlich hätte ich gerne jemanden, der diesen Part übernimmt!
… und bitte, bitte liked das jetzt nicht!
sie hat nicht geweint
Nach 12 Stunden Schlaf bin ich am Morgen müde erwacht – eigentlich wollte ich mich umdrehen und weiterschlafen. Aber das miefige Bett, der Durst und auch der Hunger trieben mich raus. Mein aktuelles Lesebuch ist Schund, das andere zu schwer – gewichtsmäßig und intellektuell! Meine Bauchschmerzen sind grandios. Ich gefalle mir nicht im Spiegel, die Falten sind wie eingemeißelt und Schatten liegt unterm Auge. Meine erste Handlung nach dem Kaffee machen ist, mir millimeterdick Creme ins Gesicht zu schmieren – aufpolstern! Geholfen hat das nichts. Außer, dass ich glänze, wie eine Speckschwarte.
In die Kirche gehen will ich nicht, mit dem Pfarrer habe ich keine Berührungspunkte. Warum wir uns gegenseitig nicht so recht mögen, liegt an unserer jeweiligen Geschichte, die eine komplett andere Sozialisierung hat. Mir ist eh schlecht! Aber daheimbleiben will ich nicht.
Nicht weit weg hat der Schrauben-Würth mehrere Museen. In seinem Verwaltungsgebäude zeigen behinderte Künstler ihre Bilder und Skulpturen. Dahin fahre ich, darüberhinaus noch ein bisschen weiter ins Hohenlohische. Landschaftlich wunderschön. Ich bin herrlich unterwegs. Keiner stört sich an meinem verknitterten Gesicht, weil ich niemanden begegne. Dass mein Magen Achterbahn fährt, ist mir egal. Mittagessenzeit – sowieso vorbei.
Als ich nachmittags wieder Zuhause bin, habe ich Durst und will mich noch nicht im Haus verkriechen. Vorne rein, schnell ein anderes Paar Schuhe an, zum Garten wieder raus – tief fallen und in den Weinbergen sein. Raus zum See. Auf dem Feldweg fällt mir eine ältere Dame auf, die in sich gekehrt ist. Ich spüre, dass sie genau wie ich Gesellschaft braucht. Gemeinsam sind wir langsam – sie mit Gehwägelchen, ich mit lädierten Füßen, da ich vorher mit Schühchen unterwegs war – zum Weinhäuschen. Sie erzählt mir ihre Geschichte und wenn ich zu Wort komme, ich ihr meine. Ihr Mann war vor nicht einmal sechs Wochen gestorben und sie hat noch keine einzige Träne geweint. Warum hat sie mir plausibel erklären können. Er war lange krank, zum Schluss nur noch eine Hülle. Sein Sein, so sprach sie, hat sich nach und nach verflüchtigt. Wir sprechen über Sterbehilfe, über das Leben vor dem Leben, über ihren Beruf als Verlagssekretärin, über ihre Kinder, die beide eine Professur haben. Wir sprechen über Kunst, die Liebe und über Gedichte. Wir reden sehr lange. Ich vergesse für einen Moment mein Magengrummeln. Beschwingt geh ich heim – dort habe ich erst einmal geko… – wollt ihr gar nicht wissen!
Ich liege mit Wärmflasche auf dem Sofa und denke gerne an den heutigen Pfingstsonntag!