Gedicht

Eis, Müll und Weihnachten

Als ich in der Nacht durch die Dunkelheit von der Kirche kommend nach Hause ging, merkte ich schon, dass es eisig wird.

Heute Morgen ist unsere Treppe vorm Haus spiegelglatt. Auf der Hecke glitzern Eiskristalle. Der Boden ist hartgefroren. Kalt ist es. Bitterkalt. Was mögen jetzt Menschen machen, was machen Mensch im Winter wenn sie keine Bleibe haben? Hier, in unserer Gemeinde, lebt eine Frau, die den ganzen Tag draußen ist. Ich weiß, dass sie eine Wohnung hat, aber ist es dort auch warm? Sie hat wenigstens ein Dach. Aber was ist mit den Menschen, die noch nicht einmal das haben? Wir wollten einen Obdachlosen einladen, Carsten wollte das. Im Bürgermeisteramt hieß es: „Wir wissen niemanden!“ Ich habe nicht mehr nachgefragt… Heute ist es zu spät.

Zu spät! Aber hätte ich es geschafft? Nein, nicht nachdenken. Hätte, wäre, kann… Mein Knie hat mir auch diesbezüglich einen Streich gespielt.

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Unser Geschenkemüll ist überschaubar. Zum einen gab es weniger Geschenke und zum anderen habe ich ökologisch verpackt – mit Tüchern und gebügelten bunten Papier. Die Junioren haben das aufreißen der Geschenke dennoch genossen. Mein Mülleimer quillt nicht über und mein schlechtes Gewissen dankt.  Außerdem brauche ich weniger aufräumen. 

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Endlich bin ich einmal mit mir zufrieden. Es ist kostbar, weil so selten. Am Grab, im Grab war niemand – MamS war und ist bei uns.

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Weihnachten

Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit,
und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle schöne Blumen der Vergangenheit.

Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise, und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
daß die kleinste Welt die größte ist.

Joachim Ringelnatz 

Gedicht

Sehnsucht

Alles beginnt mit der Sehnsucht,
immer ist im Herzen Raum für mehr,
für Schöneres, für Größeres.
Das ist des Menschen Größe und Not:
Sehnsucht nach Stille,
nach Freundschaft und Liebe.
Und wo Sehnsucht sich erfüllt,
dort bricht sie noch stärker auf.
Fing nicht auch Deine Menschwerdung,
Gott,
mit dieser Sehnsucht
nach dem Menschen an?
So lass nun unsere Sehnsucht
damit anfangen,
Dich zu suchen,
und lass sie damit enden,
Dich gefunden zu haben.

Nelly Sachs

Gedicht

ohne Überschrift

Komm liebe Angst
du darfst sein
ich lasse dich zu
ich streichle dich
ich bin gnädig zu dir
Sei wieder Kind
Ich nehm dich in den Arm
Lasse dich los
Und lasse dir die Freiheit zu gehen

Komm liebe Angst
Sag mir den Grund
Sei ehrlich zu mir
Denk nach
Was bedrückt dich?
Ich halte dich warm
und gebe dir Kraft
–  zu gehen

©petra ulbrich