Behinderung, Familie, Junioren, Kuddelmuddel

Wiederholungen

Der Tag wiederholt sich, das Leben wiederholt sich – in Variationen! Ich wiederhole mich, meine Kinder wiederholen sich immer wieder.  An manchen Tagen sagen sie viele ihrer Standardtsätze so oft, dass ich sie nicht mehr hören kann. Dann werde ich schon mal laut und maule. Aber sie wissen es nicht anders. Ja, es ist sogar so, dass ihre Wiederholungen ihnen Sicherheit geben. Wenn Wiebke jeden Morgen zum Busfahrer sagt, dass sie hinter Carsten sitzen will, dann ist das für uns spätestens nach dem dritten Mal selbstverständlich. Wiebke sagt es jeden Morgen! Oder, es geht zu Bandprobe. Wiebke sagt jedesmal, dass sie nicht Schlagzeug spielen will. Ich hole sie nach 2Stunden ab und mein Töchting hat getrommelt. 

Wenn Carsten zum dreihundertfünfundneunzigsten Mal unvermittelt „Wuppa“ sagt, dann ist das ein immerfort wiederholender Tick. Es nervt! Wenn ich allerdings meckere, dann nervt es noch mehr. Nur kann ich dieses Wort nicht immer ignorieren. Und zugegebenermaßen, manchmal ist es sogar lustig!

Unser Tagesablauf wiederholt sich. Routine ist gut! Routine ist dumm, denn alles was routiniert gemacht wird, wird getan, ohne nachzudenken. Pflege darf nicht zur Routine werden, denn dann übersieht man womöglich entscheidendes, eine beginnende Druckstelle beispielsweise. 

Mich hat letztens eine Studienkollegin gefragt, warum ich die immerwährende Sprüche meiner Junioren nicht einfach überhöre, es wäre doch immer dasselbe! Das habe ich auch schon gemacht und dann kam im gleichen Tonfall ein ähnlicher Satz. Ich habe, wie üblich geantwortet. —- Ja, und dann ist fast die Welt untergegangen: „Du hörst nicht zu! Du hörst nie zu!“ Es war etwas sehr wichtiges – und seitdem höre ich auch bei wiederholenden Sätzen immer genau hin und wenn es dann heißt, dass Wiebke hinter Carsten sitzen will, dann nehme ich es jedesmal wieder so ernst, wie beim ersten Mal.

… und morgen früh? Ich kann euch jetzt schon sagen, wie die ersten Sätze morgen früh bei uns heißen – jeden Morgen grüßt das Murmeltier! Und es ist wie es ist, okay!

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨ Hier gibt es die Möglichkeit etwas in den, wenn auch nur virtuellen Hut zu werfen. Herzlichen Dank!

6 Gedanken zu „Wiederholungen“

  1. kat. sagt:

    Vielleicht, dachte ich während ich es las, sind das auch Rituale. Und die vermitteln Sicherheit. Schönen Abend!

    1. piri ulbrich sagt:

      Kann sein, dass es auch Rituale sind – aber es sind auch Stereotypen, der Behinderung geschuldet. Und, Sicherheiten suchend!

  2. Der Emil sagt:

    Routine ist dumm?

    Manchmal (bei mir sogar oft) nicht, dann spart sie nämlich das Nachdenken darüber und das achten darauf, wie jetzt Gas, Bremse, Kupplung, Schalthebel und Blinker betätigt werden müssen, und mit der dafür nicht verbrauchten Aufmerksamkeit sah ich öfter einen Fußgänger, Radfahrer, ein anderes Auto …

    Routine ist etwas, das nicht besonders viel Hirnleistung erfordert; wenn das dumm genannt wird, dann stimme ich in weiten Teilen zu. Ansonsten ist Routine ein sehr geschickter Schachzug (also etwas Intelligentes, Gescheites) der Verhaltens- und Bewegungssteuerung der Menschen.

    (Unbenommen bleibt die Notwendigkeit, Routinen manchmal zu verändern, wenn sie nämlich ihren Zweck nicht mehr erfüllen können bzw. endgültig erfüllt haben.)

    1. piri ulbrich sagt:

      Ich habe nicht geschrieben, dass Routine grundsätzlich schlecht oder dumm ist. In der Pflege – und das war meine Anmerkung – ist so etwas hinderlich, weil es nämlich den Menschen aus den Augen verliert. Natürlich muss auch da manches automatisch passieren. Sonst würde es ewig dauern und zu viele Ressourcen verbrauchen, die man in außergewöhnlichen Situationen dringender, besser gebrauchen kann.

  3. christine b sagt:

    auch wenn es dich manchmal nervt, für deine junioren ist es sicher sehr beruhigend, immer eine zuwendung und eine antwort zu bekommen, die nicht oberflächlich ist. finde ich toll, dass du das so machst!

    1. piri ulbrich sagt:

      Danke – manche sagen, ich lasse mir auf der Nase herumtanzen und um den Finger wickeln. Ich rede mit meinen Kindern. Auch deswegen, weil ich es besser als meine Mutter machen möchte.

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