Alltag, Behinderung, Familie, Gedanken, Junioren

morgens Wackersteine

Das erste Mal aufgewacht bin ich um kurz nach vier, mein Bauch brummelt und darin rumoren Wackersteine. Ein Ring von Angst liegt um meinem Körper, die Beine zappeln nur so viel, dass es unangenehm ist und nicht bedrohlich, die Füße sind bleischwer und rastlos. Mehr als das macht mir mein Magen zu schaffen – ich esse zu viel und das falsche. Zu viel Süßkram und zu wenig gesunde Mahlzeiten. Ein Teil meiner Bauchschmerzen kommt daher. Der größere Teil allerdings ist ein schwarzes Loch, das saugt und saugt und saugt, an den Rändern gärt, alles in sich verschlingt und nicht wieder rauslässt. Diese Ursuppe bekämpft sich gegenseitig und besteht zum größten Teil aus Angst. Manchmal kann ich es verquirlen, dann dreht sich der Strudel gleichmäßig und ich lasse mich einlullen. Gleichgewicht!

Das bleibt aber nicht so, ich muss aufstehen – auch wenn es zwanzig vor sechs noch nichts zu tun gibt. Die Angst vor dem Tag hält dich im Bett. Sie sagt dir, dass du da sowieso nicht schaffst. Nebenbei zwickt es am Oberschenkel und die Hautstelle auf der Schulter juckt verteufelt. Ich kratze sie mir blutig und kann doch nicht aus meiner Haut. Später schmiere ich kühlende Creme drauf.

Dass ich mit den Händen, von denen ich denke, dass sie keine Kraft haben das Handy zu halten, mit diesen Finger diesen Text tippe, so zittere, kann ich geschickt verbergen. Ein Außenstehender ahnt nichts, denkt nur; die ist noch nicht ganz wach.

Doch, wach bin ich inzwischen, hab auch schon einen Milchkaffee getrunken und sage mir jedesmal, dass das keine so gute Idee ist. Auf einen Magen der revoltiert, Kaffee kippen ist wie Öl ins Feuer gießen. Aber die Macht der Gewohnheit!

Juniorenherrschaften wecken. Aus einem Zimmer kommt Gebrumm, aus dem anderen wird mir ein Armband an den Kopf gepfeffert. „Ihr dürft doch noch 10 Minuten im Bett bleiben!“ Köpfe sinken auf Kissen. „Was wollt ihr zum vespern mitnehmen?“ Keine Antwort – pack ich eben irgendwas ein. Denke aber, dass das bestimmt nicht das richtige war und habe darüber ein schlechtes Gewissen.

Das Anziehen überspringen wir mal – ist eine eigene Geschichte. Klogang, Windeln wechseln, notdürftig waschen, Haare kämmen, rasieren, auf den Rollstuhl setzen.

Frühstücken tun wir ja schon lange nicht mehr. Jedenfalls wird nichts gegessen, nur getrunken und da darf/muss/will ich jeden Tropfen in die Münder reden. Und dann diskutieren beide mit mir warum was so nicht geht und weshalb das so gemacht werden muss, was aber nicht geht, weil ein bestimmtes Teil nicht da ist. Da wünsche ich mir entweder verstopfte Ohren, was aber die Folge hat, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich nicht zugehört habe. Oder ich wünsche mir vier Ohren und habe anschließend das Gefühl, mein Kopf platzt.

Über allem schwebt die Angst den behinderten Menschen nicht gerecht zu werden…

Behinderung, Gedanken

eigentlich

Eigentlich ist ja schon wieder eine Einschränkung. Aber manchmal trifft‘s eigentlich ganz gut: denn ich möchte einen meiner Morgen erzählen. Ich möchte Verständnis wecken – für mich und andere Menschen im Autismusspektrum, mit daraus resultierenden Angststörungen. Aber ich möchte es nicht zu öffentlich machen und doch wieder und dann doch wieder nicht! Weil ich Angst habe, an den Pranger gestellt zu werden. Wenn auch nicht öffentlich, so denn in den Köpfen der Leser*innen, die dies Blog als Boulevard sehen. Und für die, die nicht kommentieren und in ihren Köpfen die besten Ratschläge haben.  Ich möchte Verständnis (nein das ist das falsche Wort), ich möchte wertgeschätzt werden. Wertschätzung ist das Zauberwort!

Aber bekomme ich das in einem Blog? Die Antwort weiß ich selbst: ist gar nicht so schlimm, wie ich’s in meinem Szenario gestalte!

Es bleibt noch einen passwortgeschützten Beitrag zu schreiben. Doch liest diese überhaupt jemand? Außerdem würde ich gerne wollen, dass manche Menschen meine geschützten Beiträge lesen, sie aber das Passwort nicht angefordert haben. Ich könnte es ihnen schicken!? Nee, könnte ich nicht, denn ich dränge niemanden etwas auf. Sie fragen vielleicht auch nicht, weil sie keine Abfuhr bekommen möchten. Dilemma. Schon wieder diese Ambivalenz!

Nichtsdestotrotz werde ich in der nächsten Zeit (Passwortanfrage) geschützte Beiträge schreiben, in denen ich meine Zerrissenheit besonders am Montagmorgen schildern möchte. 

Je besser ein autistischer Mensch “funktioniert”, desto mehr Funktionieren wird erwartet, und desto weniger Unterstützung bekommt er. Die Anstrengung hinter dieser Leistung sieht niemand. Gut zu “funktionieren” bedeutet nicht, keine Unterstützung zu benötigen.

Behinderung

Erklär mich mal

Ich fühle mich nicht gut genug ausgerüstet, um mein Leben zu meistern: die Zukunft macht mir Angst – hat mir schon immer Angst gemacht. Ich bin ununterbrochen in Sorge, ruhelos, von vielen irritiert, ich kann nicht abschalten und entspannen fällt mir verdammt schwer. In meinen Notizen habe ich diesen Satz gelesen, geschrieben habe ich ihn aber bestimmt nicht: Jeder Tag ist so, als würde ich in Bleistiefeln durch Wackelpudding laufend auf den Kilimandscharo steigen. Jeder Schritt in meinem Leben ist eine Wahnsinnsherausforderung. 

Ich bin Perfektionistin, lege diese Maßstäbe an mich selbst sehr hoch. Aber auch an andere Menschen setze ich hohe Ziele – oft viel zu hohe. Aber ich denke; was ich kann, können andere doch sowieso! Deswegen sind Beziehungen in der Regel nicht von Dauer, weil sich wohl das Gegenüber ständig kontrolliert oder ausgenutzt fühlt. Dabei möchte ich, dass es meinen Mitmenschen gut geht. Freundschaften setzen mich emotional und auch sozial unter Druck – ich weiß selten wann ich wie reagieren oder handeln soll. Ich erscheine kalt, unempathisch, unsensibel und zu rechthaberisch, dabei will ich nur (mich) erklären. 

Immer noch hängt mir so ein Vorwurf in den Knochen. Mir wurde gesagt, dass ich mich nicht auf meinen Autismus ausruhen soll – so oder so ähnlich gemeint, geschrieben wurde es anders. Inzwischen bin ich verunsicherter denn je…