Behinderung, Kuddelmuddel

Dabei sein

Momentan sind wir viel zu viel – eigentlich nur – Zuhause. Gut ist was anderes. Wir hocken aufeinander. Zum Glück ist mein Knie inzwischen stabil, aber auch mit intakten Knie kann ich im Winter nicht mit zwei Rollstühlen rausgehen. Die Junioren müssen angezogen werden – komplett, beide, einschließlich Anorak, Schal, Mütze und Fußsack. Mit einem Helfer ist das für mich auch schon eine Mordsarbeit, denn meistens haben sie Angst, den Junioren Knochen zu brechen. Ich bin schon durchgeschwitzt, bevor wir überhaupt aus der Tür sind. Dazu kommt der Widerstand meiner Junioren, denn draußen ist es kalt und sie frieren wirklich sehr schnell. Wenn wir es aber geschafft haben, dann sind sie stolz und genießen den Spaziergang.

Unsere sozialen Kontakte sind rar. Ich habe kaum Freundinnen, weil ich auch nicht die Möglichkeiten hatte, welche aufzubauen – ich war schon immer sehr isoliert. Da ich nie außerhalb des Hauses berufstätig war, gibt es auch von Berufs wegen kein Netzwerk. Lediglich zu Eltern deren Kinder ebenfalls behindert sind habe ich vage Freundschaften aufgebaut. Diese brachen aber im Zuge des ‚Sterbens‘ der Angehörigen oder der ‚Betreuenden‘ weg, oder sie sind selbst mit der Pflege beschäftigt…

Menschen aus der Gemeinde bedauern mich. Davon können wir uns nichts kaufen. Mitleid ist schädlich und außerdem für den mitleidenden bequem. Er leidet ja auch und somit kann er nichts tun, weil… ach lassen wir das. Bin ich jetzt wieder böse, sarkastisch, patzig oder zynisch? Bestimmt! Ich sollte doch froh sein, dass wenigstens der ein oder andere überhaupt kommt.

Okay, das mag kein gutes Thema sein und ist wieder einmal nur ein Kuddelmuddelmoment für euch – für uns ist es tagtägliche Routine!

… Danke!

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨ Hier gibt es die Möglichkeit etwas in den, wenn auch nur virtuellen Hut zu werfen. Herzlichen Dank!

9 Gedanken zu „Dabei sein“

  1. mijonisreise sagt:

    Du darfst zynisch und sarkastisch sein. Wenn dir danach ist, lass es raus. Sich Luft zu machen, ist ein erster Schritt …

    1. piri ulbrich sagt:

      ein erster Schritt zu was?

      1. mijonisreise sagt:

        Die Situation zu verändern. Guck, hier hast du großzügig dein Gästezimmer angeboten und ich denke, es werden sicher ein, zwei oder sogar mehr, Gebrauch davon machen.
        Und wenn du schon hier bereit bist, Kontakte aufzubauen, wird es dir auch im nahen Umfeld gelingen
        Oder siehst du das anders?

        1. piri ulbrich sagt:

          Ja, das sehe ich anders. Denn hier bin greifbar, präsent, bin da. Hier habe ich es leichter. Im realen Leben steh ich mir selbst im Weg – auch deswegen, weil wir nirgendwohin kommen – oder wenigstens kaum wohin kommen.

          1. mijonisreise sagt:

            Mhh … Ich denke, hier sammelst du Sicherheit. Sich im Weg stehen? Das tun andere auch und auch das wird besser, wenn man es “übt” auf andere zuzugehen und mit ihnen zu sprechen.

  2. Paula sagt:

    Kann einer von beiden allein bleiben für 2 Stunden (oder mit einem Helfer zuhause bleiben)? Dann könntest Du heute mit einer/m und morgen mit der/m anderen rausgehen? Warum müssen unbedingt beide zusammen mit Dir nach draußen gehen? Und wer als erster dran ist, könnte ausgelost werden.

    1. piri ulbrich sagt:
      1. will ich das nicht, mit einem alleine spazieren gehen.
      2. wollen sie es selber nicht.
      3. bleibt keiner/kann keiner von den beiden allein Daheim bleiben, weil sie sich überhaupt nicht selber helfen können.
      4. wenn ein Helfer bei einem bleibt, kann ich den Helfer auch gleich mit zum Spaziergang mitnehmen.
  3. Paula sagt:

    Verstehe. Die Ausweglosigkeit ist und bleibt ziemlich ausweglos.

    1. piri ulbrich sagt:

      Es ist wie es ist und so ist es okay!

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