Allgemein, Behinderung, Gedanken

Applaus

Anfangs von Corona wurde für die Pflegekräfte geklatscht! Wer klatscht für die pflegenden Angehörigen? Die Mütter, die tagtäglich unentgeltlich ihre Kinder versorgen, die Töchter, die das ebenso für ihre alten Eltern tun. Wer klatscht für die Söhne, die ihrem Vater den Hintern abwischen und für die Väter, die die Kinder sondieren. Nicht vergessen möchte ich die minderjährigen Kinder, die ihre Geschwister oder auch Eltern versorgen – wer klatscht für die? Aber was soll’s klatschen überhaupt?

Die billigsten Pflegekräfte dieses Landes sind die pflegenden Angehörigen und für die wurde noch nicht einmal geklatscht. Mir scheint, es wird als Selbstverständlichkeit angesehen, dass Nächte durchwacht werden, dass jede Nacht das Kind gedreht wird, weil es sonst wund liegt oder wie mein Töchting aus dem Bett fallen würde. In wie weit wird das wertgeschätzt, was wir leisten? Was ist das überhaupt für ein Wert? Wer legt den Wert fest? Die Pflege daheim kostet einen Bruchteil dessen, was ein Heimplatz kostet und ist meist besser, persönlicher, inniger, respektvoller, mit mehr Liebe und wird dennoch nicht honoriert.

Wir dürfen nicht klagen. Wir sollten immer dankbar sein, wenn Helfer*innen kommen. Auch wenn diese Fehler machen, oder wir zum xten Mal erklären, dass etwa so und nicht anders sinnvoll ist. Helfer wollen ja nur helfen. Auf die Idee, dass manches kontraproduktiv sein könnte, kommen sie nicht. Stattdessen sind wir übellaunig und unhöflich…

Ich weiß inzwischen warum ich wir schreibe. Nicht pluralis majestatis, nein solidarisch mit anderen pflegenden Angehörigen. Ich bin nicht allein und bin es doch! Allein zu wissen, dass es vielen ähnlich geht wie mir, ändert nichts – macht aber dennoch nicht ganz so wuttraurig – jedenfalls nicht immer.

Ich klatsche jetzt mal für mich. Der Tag heute war ein ganz normalstressiger Samstag und ehrlich, ich habe das toll gemeistert!

Veröffentlicht von piri

✨ In Momenten, in denen ich an mir und meiner Arbeit zweifle und meine, nichts Gutes auf die Reihe zu bekommen, denke ich manchmal daran, mir kurz das, was ich schon geschafft habe, anzuschauen. Dann geht's wieder. ✨ Hier gibt es die Möglichkeit etwas in den, wenn auch nur virtuellen Hut zu werfen. Herzlichen Dank!

11 Gedanken zu „Applaus“

  1. LP sagt:

    Ich klatsche nicht für Dich, ich ziehe den Hut aus Respekt.
    Allergrößtem Respekt.

    1. piri sagt:

      Danke, Respekt zu bekommen ist schön.

  2. Verwandlerin sagt:

    Ich klatsche auch für dich!

  3. dergl sagt:

    Jetzt nur meine Perspektive: Ich verstehe absolut warum Leute – du bist nicht die erste, von der ich das lese – sich Gedanken machen, warum niemand für uns klatscht. Ich – wie gesagt ich persönlich – denke mir Zum Glück klatschen die NICHT. Zum einen wäre es in etwa so viel wert wie der Lavendel oder die Tafelschokoladen für das Pflegepersonal – und das war beides ein Hohn -, zum anderen, wenn siw gerade für pflegende Angehörige klatschen würden, wäre das nicht auch eine Form von Inspiration Porn (nach der Definizion von Stella Young)? „Och, guck mal, der:die ist so eingespannt und gebeutelt, macht den ganzen Tag damit der:die Angehörige(n) klarkommen, hat keine Freizeit und kaum Geld, eigene Gesundheit am A… Ist das nicht bewundernswert?“ Für fünf Minuten. So bald sie dann in der Realität jemanden treffen ist alles davon futsch, dann gibt’s (oft) Hilfe nicht so wie man es braucht, sondern nur so wie die sich das vorstellen, „Fälle“, die man als Menschen nicht ernstnehmen, sondern nur ein bisschen bespaßen muss etc., also oft nichts, was wirklich Unterstützung suggerieren würde, weil die Leute halt ihre Komfortzone nicht verlassen wollen. Und wenn wir dann sagen, es ist nicht alles so einfach wie es aussieht, oder dass der:die zu Pflegende(n) wie alle Menschen eben nicht immer gut drauf und kooperativ sind, oder dass die beste Hilfe ist unseren Anweisungen zu folgen und nicht aus Opportunismus einfach irgendwas, so gut es auch gemeint sein mag, zu machen, sind wir auch wieder undankbar. Dann fühle ich mich doch ernstgenommener, wenn ich komplett übersehen werde, weil ich mir dann nicht verhöhnt vorkomme. Andere sehen das natürlich anders und das ist auch total okay.

  4. Frau Lakritz sagt:

    … ud meist sind es die Töchter/Frauen, die pflegen. Meine Freundin hat ihre Eltern bis zu deren Tod gepflegt, über Jahre. Während es ihren beiden Brüdern nicht im Traum einfiel, mal einzuspringen. Die ganze Zeit über nicht. Das Klatschen fand ich unerträglich zynisch und höhnisch.
    Liebe Grüße an euch drei – und küss den Kerle von mir!

    1. piri sagt:

      Wertschätzung passt besser, als klatschen.

  5. Frau Lakritz sagt:

    Entschuldigung, ich nochmal: Verzeih bitte die Tippfehler – du weißt ja, ich tippe einhändig, das geht nicht mehr so fix und fehlerfrei wie früher mit zehn Fingern… 😉

  6. momfilou sagt:

    Mir fehlen mal wieder die Worte!

    1. piri sagt:

      Warum – so ist das nun mal!

  7. Reni E. sagt:

    Ich klatsche auch für dich! Nicht nur für deine liebevolle pflegerische Leistung, sondern auch dafür, wie deine Junioren so „drauf “ sind: Sie sind so vielseitig interessiert, sind glücklich, lieben sich gegenseitig usw. Das ist dein Verdienst!
    Liebe Grüße
    Reni

    1. piri sagt:

      Danke, die Junioren machen es mir aber auch leicht.

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