Kuddelmuddel, Musik

Sommertag

Ihre Finger sind dreckig, dennoch verstrubbelt sie sich gedankenlos ihre Haare. Auf der Straße vorm Garten fährt ein Motorrad hin und her. Der smarte Nachbar aus dem übernächsten Haus überlegt schon eine ganze Weile – das weiß sie von der netten Frau, die unter ihm wohnt – er überlegt also, wie er sie ansprechen soll. Nur heute will sie das nicht. Sie hat dreckige Hände, die Beine sind zerkratzt und obendrein ist auch noch ihre Frisur völlig indiskutabel.  Sie geht ins Haus, schließt die Terrassentür und lässt laut knallend den Rolladen runter …

 

Behinderung, Geschichte

es gibt keine Hühner mehr

„Mama, wo sind die Hühner?“ Mein Töchting ist ganz aufgelöst, nirgendwo sieht man Hühner. Ich erkläre ihr, dass sie wegen der Vogelgrippe im Stall bleiben müssen. „Aber die beim Hühnermobil haben keinen Stall!“ Der Kerle, ganz pragmatisch: „Die sind geschlachtet worden. Wie die Hühner von Gerhild!“ „Nein, das ist ungerecht – wo kriegen wir denn jetzt unsere Eier her?“ W. ist völlig aufgelöst und leidet mit den Hühnern. 

Das war letzte Woche. Am Wochenende waren wir auf einem Kunsthandwerkermarkt. Eine Frau zeigte Stickbilder, auch welche mit Hühnern. Zum Trost wollte ich meiner Tochter eins schenken.  „Du Mama, die sind doch nicht echt und die Eier sind viel zu klein, da pellt man ja ewig!“

Geschichte

nächtlicher Schnellschuss

Vor Jahren traf sie einmal einen, der durch sie hindurchsah, wie durch eine Fensterscheibe. So sehr sie sich auch bemühte, sie rollte mit den Augen, schminkte diese kohlrabenschwarz, malte sich einen cochenilleroten Mund, zog sich für ihn extra enge Hosen an, machte sich quasi sozusagen zum Affen! So sehr sie sich bemühte gesehen zu werden, so konzentriert schaute er aus dem Fenster. Sie weinte still und leise. Natürlich sah er sie nicht. Sie heulte laut und heftig. Er sah sie nicht. Sie überlegte nackt auf dem Marktplatz zu tanzen, wählte allerdings einen Zeitpunkt, als er gerade nicht am Fenster stand. Wer wartet schon nachts um um halb vier darauf, mitten in der Stadt am Dreiviertelröhrenbrunnen eine ausgezogene Verrückte herum hampeln zu sehen?

Vor Monaten traf sie ihn wieder. Sie hatte sich in der Zwischenzeit zweimal getrennt. Der erste Mann, der sie ansah wollte immer nur ihr schönes Äußere und staffierte sie aus – mit schönen Kleidern aus glänzenden Stoffen, mit Rüschen und wallenden Gewändern mit Puffärmeln. Sie war nicht sie selbst. Sie kam sich verkleidet vor. Aber er wollte sie in puppengleicher Schönheit sehen. Als ihre Haut welkte, erlosch sein Interesse und sein Blick wurde glasig.
Dem zweiten Mann begegnete sie in löchrigen Jeans, mit Piercing in den Augenbrauen. Aber auch sein Blick war wolkenverhangen und immer vor dem Linienziehen hatte er nur Augen für das weiße Pulver. Sie hatte für ihn ihren gesamten Schmuck versetzt und als davon nichts mehr übrig war, konnte dieser Mann nicht einmal mehr geradeaus gucken, geschweige denn, sie an.

Als sie ihre erste unerreichte Liebe vor Wochen wieder traf, konnte er sie gar nicht erkennen, so sehr hatte sie sich verändert. Ihre ehemals walnussbraunen polangen Haare waren kurz und weiß geworden. Ihr sehr fraulicher Körper war, weil sie wegen einer Erkrankung strenge Diät halten musste, gertenschlank geworden. Ihr Kleidungsstil hatte sich grundlegend geändert. Sie trug jetzt ausschließlich dunkle Hosen, eine weiße Bluse und darüber einen legeren Pullover. Als sie ihn sah und erkannte, fiel es ihr wie Schuppen aus den Augen. Sie hatte ihn kopiert! Sie waren in derselben Kneipe und er sah sie immer noch nicht. In dem Moment als sie gehen wollte, schaute er zum Ausgang und verguckte sich in die charismatische Frau. Aber es war zu spät! Sie zog entschlossen die Tür hinter sich zu und ging erhobenen Hauptes am Fenster vorbei, ohne sich nochmals umzudrehen.