Behinderung, Gedanken, Junioren

verwachsen tut sich‘s nicht

Natürlich verwächst sich nichts, schon gar keine Behinderung die auf einem Gendefekt beruht! Aber das wussten wir auch nach Wiebkes Geburt noch nicht. Die rote Nase des Töchtings kurz nach dem sie geboren war, kam daher, dass die Nase gebrochen war – während der schnellen Geburt passiert. An Glasknochen hat da niemand während des Notkaiserschnitt gedacht. Diese Diagnose kam erst ca. fünf Jahre später. Wie viele Verdachtsdiagnosen wir hatten und wie viele sich zerschlagen haben, daran mag ich nicht denken. Ein eindeutiges Syndrombild gibt es nicht für meine Kinder. Ein international anerkannter Humangenetiker der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität sagte mir einmal: „Ich vermute, es ist eine völlig neue Mutation. Jedenfalls kenne ich keine bekannten anderen Menschen, die diese Behinderung haben!“ Bis heute wissen wir nicht genau welches Gen betroffen ist und es ist mir auch inzwischen völlig egal. Meine Hoffnung andere Kinder mit einer ähnlichen Behinderung zu finden hat sich leider nicht erfüllt. Ein bisschen Ähnlichkeit gibt’s mit manchen kleinwüchsigen Menschen, aber deren DNA ist aufgeschlüsselt und der Kerle und das Töchting passen nicht ins Schema.

Glasknochen ist Fakt! Gebrochen haben sie sich schon viel – die Finger, die Zehen, ja auch schon Carsten den Schädel und Wiebke mehrfach die Nase. Arm und Bein, aber nie den Hals zum Glück!

Wiebkes Start in die Welt war gut. Sie hat ihren Bruder, der sie abgöttisch liebt und der ihr manchen Weg geebnet hat. Bis zu ihrem 10ten Lebensjahr hat sie nicht gesprochen, Carsten hat das für sie gemacht. Noch heute haben beide eine Geheimsprache, die nur sie verstehen …

∙∙∙∙∙

Meine blöde Lunge will Ruhe, etwas was ich ihr im Moment nicht geben kann. Kortison macht aggressiv, mein Blutdruck geht in die Höhe und meine Muskeln machen schlapp. Kranksein ist nichts für Feiglinge. Fieber hält sich aber zum Glück sehr bedeckt!

Behinderung, Gedanken, Junioren

Igor und Igor

alt und neu

Endlich, endlich hat Wiebke auch Geburtstag! Endlich, endlich ist ihr Tag! Ihre Geburt war nicht weniger dramatisch, als die des Kerle. Erzähle ich auch noch, aber erst einmal müssen wir für das Töchting singen …

… übrigens der kleine alte Igor hat einen Nachfolger bekommen, der nun auch Igor heißt! Wieder mit 2ter Seite …

Behinderung, Gedanken, Junioren

kein Anspruch

 … auf alleiniges Schicksal und Leid! Ich will hier kein schneller, höher, weiter in Punkto wer hat es am schwersten getroffen, veranstalten. Jeder Schicksalsschlag ist dramatisch für den, der ihn erleidet. Bitte seht meine Schilderung nicht als Sensation. Das ist es nämlich nicht. Es ist Leben. Meins, das des Kerle und exemplarisch auch das von pflegenden Angehörigen.

∙∙∙∙∙

Essen ist, also seit ich an meinen Sohn denken kann, ein heikles Thema.  Die körperliche Behinderung, das mit der offenen Blase hatte ich sehr bald im Griff und das ist, bis heute, kein großes Problem. Das Leben lief plätschernd vor sich hin. MamS forcierte seine Karriere, war aber immer dann da, wenn ich ihn brauchte.

Ein fröhliches Kind war Carsten immer, auch als er knapp 2jährig in Bremerhaven in einer Orthopädischen Klinik war. Alleine! Ich habe Ausbildung gemacht. Er hatte eine Betreuerin: Frau Rosenbaum, sie war wunderbar. Sie sprach mit Carsten, las ihm vor und erfand Wörter. Braunkohlenförderband oder Lohnsteuerjahresausgleich waren nach ihrem Namen und Auto, Papa und Mama Carstens erste Worte. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ans Bett gefesselt. Seine Beine steckten im Streckverband damit beide Hüften eingerenkt werden sollten. Hat nicht viel gebracht, weil keine ausgebildeten Hüftpfannen vorhanden sind. Stattdessen hatte er bis dato schon diverse Knochenbrüche und beim krabbeln ist er einmal so aufs Kinn gefallen, dass er sich die Zähne ausgeschlagen hat. Zusätzlich zum Kieferbruch. 

Bei einem Spaziergang in der Stadt, sprach mich ein Obdachloser an, nachdem ich ihm ein bisschen Geld gab: „Der kleine Mann, geht er auch in den Kindergarten, da wo ich immer schlafe?“ Das musste ich wissen, wo er immer schläft – und dann hat er‘s mir erzählt. In einem Nebenzimmer eines Sonderpädagogischen Kindergarten war eine Notunterkunft für Penner, wie er es nannte. Ich bin gleich dorthin. Niemand von irgendeiner Behörde oder Lebenshilfe hat mir das damals gesagt. Carsten konnte dort zur Förderung gehen, Krankengymnastik machen und stundenweise betreut werden. 

Oh menno, mich nehmen die Erinnerungen mit. Ich will und kann nicht alles erzählen. Ein Buch wird nicht geschrieben …